[Herder, Johann Gottfried von]: Auch eine Philosophie der Geschichte zur Bildung der Menschheit. [Riga], 1774.Pendul schlägt immer mit gleicher Kraft, wenn er am weitesten ausholt und desto schnel- ler strebt, oder wenn er am langsamsten schwanket, und sich der Ruhe nähert. Jn- deß ists doch ein ewiges Streben! niemand ist in seinem Alter allein, er bauet auf das Vorige, dies wird nichts als Grundlage der Zukunst, will nichts als solche seyn -- so spricht, die Analogie in der Natur, das redende Vor- bild Gottes in allen Werken! Offenbar so im Menschengeschlechte! Der Aegypter konnte nicht ohne den Orientalier seyn, der Grieche baue- te auf jene, der Römer hob sich auf den Rü- cken der ganzen Welt -- wahrhaftig Fort- gang, fortgehende Entwicklung, wenn auch kein Einzelnes dabey gewönne! Es geht ins Große! es wird, womit die Hülsengeschichte so sehr pralet, und wovon sie so wenig zeigt, -- Schauplatz einer leitenden Absicht auf Er- den! wenn wir gleich nicht die letzte Absicht sehen sollten, Schauplatz der Gottheit, wenn gleich nur durch Oeffnungen und Trümmer einzelner Scenen. Wenigstens ist der Blick weiter als jene Phi- hie
Pendul ſchlaͤgt immer mit gleicher Kraft, wenn er am weiteſten ausholt und deſto ſchnel- ler ſtrebt, oder wenn er am langſamſten ſchwanket, und ſich der Ruhe naͤhert. Jn- deß iſts doch ein ewiges Streben! niemand iſt in ſeinem Alter allein, er bauet auf das Vorige, dies wird nichts als Grundlage der Zukunſt, will nichts als ſolche ſeyn — ſo ſpricht, die Analogie in der Natur, das redende Vor- bild Gottes in allen Werken! Offenbar ſo im Menſchengeſchlechte! Der Aegypter konnte nicht ohne den Orientalier ſeyn, der Grieche baue- te auf jene, der Roͤmer hob ſich auf den Ruͤ- cken der ganzen Welt — wahrhaftig Fort- gang, fortgehende Entwicklung, wenn auch kein Einzelnes dabey gewoͤnne! Es geht ins Große! es wird, womit die Huͤlſengeſchichte ſo ſehr pralet, und wovon ſie ſo wenig zeigt, — Schauplatz einer leitenden Abſicht auf Er- den! wenn wir gleich nicht die letzte Abſicht ſehen ſollten, Schauplatz der Gottheit, wenn gleich nur durch Oeffnungen und Truͤmmer einzelner Scenen. Wenigſtens iſt der Blick weiter als jene Phi- hie
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gluͤcklicher, als der heftigſtrebende Mann: der
Pendul ſchlaͤgt immer mit gleicher Kraft,
wenn er am weiteſten ausholt und deſto ſchnel-
ler ſtrebt, oder wenn er am langſamſten
ſchwanket, und ſich der Ruhe naͤhert. Jn-
deß iſts doch ein ewiges Streben! niemand iſt
in ſeinem Alter allein, er bauet auf das Vorige,
dies wird nichts als Grundlage der Zukunſt,
will nichts als ſolche ſeyn — ſo ſpricht, die
Analogie in der Natur, das redende Vor-
bild Gottes in allen Werken! Offenbar ſo
im Menſchengeſchlechte! Der Aegypter konnte
nicht ohne den Orientalier ſeyn, der Grieche baue-
te auf jene, der Roͤmer hob ſich auf den Ruͤ-
cken der ganzen Welt — wahrhaftig Fort-
gang, fortgehende Entwicklung, wenn auch
kein Einzelnes dabey gewoͤnne! Es geht ins
Große! es wird, womit die Huͤlſengeſchichte
ſo ſehr pralet, und wovon ſie ſo wenig zeigt, —
Schauplatz einer leitenden Abſicht auf Er-
den! wenn wir gleich nicht die letzte Abſicht
ſehen ſollten, Schauplatz der Gottheit, wenn
gleich nur durch Oeffnungen und Truͤmmer
einzelner Scenen.
Wenigſtens iſt der Blick weiter als jene Phi-
loſophie, die unter- uͤber miſcht, nur immer
hie
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Zitationshilfe: | [Herder, Johann Gottfried von]: Auch eine Philosophie der Geschichte zur Bildung der Menschheit. [Riga], 1774, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_philosophie_1774/66>, abgerufen am 16.02.2025. |