[Herder, Johann Gottfried von]: Auch eine Philosophie der Geschichte zur Bildung der Menschheit. [Riga], 1774.so gleich nachwähne. Kanns ein allgemeines Bild ohne Untereinander- und Zusammen- ordung? Kanns eine weite Aussicht geben, ohne Höhe? Wenn du das Angesicht dicht an dem Bilde hältst, an diesem Spane schnitzelst, an jenem Farbenklümpchen klaubest: nie sie- hest du das ganze Bild -- siehest nichts we- niger als Bild! Und wenn dein Kopf von einer Gruppe, in die du dich vernarrt hast, voll ist, kann dein Blick wohl ein Ganzes so abwechselnder Zeitläufte umfassen? ordnen? sanft verfolgen? bey jeder Scene nur Haupt- würkung absondern? die Verflössungen still begleiten? und nun -- -- nennen! Kannst du aber nichts von alle dem! die Geschichte flimmert und fackelt dir vor den Augen! ein Gewirre von Scenen, Völkern, Zeitläuften -- lies erst und lerne sehen! Uebrigens weiß ichs, wie du, daß jedes allgemeine Bild, jeder allgemeine Begrif nur Abstraktion sey -- Schöpfer allein ists, der die ganze Einheit, einer, aller Nationen, in alle ihrer Man- nichfaltigkeit denkt, ohne daß ihm dadurch die Einheit schwinde. II. Also D
ſo gleich nachwaͤhne. Kanns ein allgemeines Bild ohne Untereinander- und Zuſammen- ordung? Kanns eine weite Ausſicht geben, ohne Hoͤhe? Wenn du das Angeſicht dicht an dem Bilde haͤltſt, an dieſem Spane ſchnitzelſt, an jenem Farbenkluͤmpchen klaubeſt: nie ſie- heſt du das ganze Bild — ſieheſt nichts we- niger als Bild! Und wenn dein Kopf von einer Gruppe, in die du dich vernarrt haſt, voll iſt, kann dein Blick wohl ein Ganzes ſo abwechſelnder Zeitlaͤufte umfaſſen? ordnen? ſanft verfolgen? bey jeder Scene nur Haupt- wuͤrkung abſondern? die Verfloͤſſungen ſtill begleiten? und nun — — nennen! Kannſt du aber nichts von alle dem! die Geſchichte flimmert und fackelt dir vor den Augen! ein Gewirre von Scenen, Voͤlkern, Zeitlaͤuften — lies erſt und lerne ſehen! Uebrigens weiß ichs, wie du, daß jedes allgemeine Bild, jeder allgemeine Begrif nur Abſtraktion ſey — Schoͤpfer allein iſts, der die ganze Einheit, einer, aller Nationen, in alle ihrer Man- nichfaltigkeit denkt, ohne daß ihm dadurch die Einheit ſchwinde. II. Alſo D
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ordung? Kanns eine weite Ausſicht geben,
ohne Hoͤhe? Wenn du das Angeſicht dicht an
dem Bilde haͤltſt, an dieſem Spane ſchnitzelſt,
an jenem Farbenkluͤmpchen klaubeſt: nie ſie-
heſt du das ganze Bild — ſieheſt nichts we-
niger als Bild! Und wenn dein Kopf von
einer Gruppe, in die du dich vernarrt haſt,
voll iſt, kann dein Blick wohl ein Ganzes ſo
abwechſelnder Zeitlaͤufte umfaſſen? ordnen?
ſanft verfolgen? bey jeder Scene nur Haupt-
wuͤrkung abſondern? die Verfloͤſſungen ſtill
begleiten? und nun — — nennen! Kannſt
du aber nichts von alle dem! die Geſchichte
flimmert und fackelt dir vor den Augen! ein
Gewirre von Scenen, Voͤlkern, Zeitlaͤuften —
lies erſt und lerne ſehen! Uebrigens weiß ichs,
wie du, daß jedes allgemeine Bild, jeder
allgemeine Begrif nur Abſtraktion ſey —
Schoͤpfer allein iſts, der die ganze Einheit,
einer, aller Nationen, in alle ihrer Man-
nichfaltigkeit denkt, ohne daß ihm dadurch
die Einheit ſchwinde.
II. Alſo
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