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[Herder, Johann Gottfried von]: Auch eine Philosophie der Geschichte zur Bildung der Menschheit. [Riga], 1774.

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graden Linien gehen nur immer gerade fort,
würden alles auf der Stelle lassen? wenn
nicht die Gottheit auch ausserordentliche Men-
schen, Kometen,
in die Sphären der ruhigen
Sonnenbahn würfe, fallen und im tiefsten Falle
sich wieder erheben liesse, wohin kein Auge der
Erde sie verfolget. Auch thuts nur Gott oder
unter Menschen ein Thor, daß er jede fernste
moralische oder unmoralische Zwischenfolge ei-
ner Handlung auf die Rechnung des Verdien-
stes
und der ersten Absicht des Handelnden
setzet! wer fände sonst in allem in der Welt mehr
Ankläger, als der erste und einzige Handler, der
Schöpfer! -- Aber, meine Brüder, lasset uns
ja die Pole nicht verlassen, um die sich alles
dreht, Wahrheit, Bewußtseyn des Wohl-
wollens, Glückseligkeit der Menschheit!
laßt
uns am allermeisten auf der größten Höhe
des Meers,
auf welcher wir jetzt schweben, in
Jrr- und Nebellichte, das vielleicht ärger ist,
als völlige Nacht, lasset uns da fleißig nach
diesen Sternen, den Punkten aller Richtung,
Sicherheit
und Ruhe hinsehen, und denn mit
Treue und Emsigkeit unsern Lauf steuren.



Groß muß das Ganze seyn, wo in jeder Ein-
zelnheit schon so ein Ganzes erscheint! in je-

der



graden Linien gehen nur immer gerade fort,
wuͤrden alles auf der Stelle laſſen? wenn
nicht die Gottheit auch auſſerordentliche Men-
ſchen, Kometen,
in die Sphaͤren der ruhigen
Sonnenbahn wuͤrfe, fallen und im tiefſten Falle
ſich wieder erheben lieſſe, wohin kein Auge der
Erde ſie verfolget. Auch thuts nur Gott oder
unter Menſchen ein Thor, daß er jede fernſte
moraliſche oder unmoraliſche Zwiſchenfolge ei-
ner Handlung auf die Rechnung des Verdien-
ſtes
und der erſten Abſicht des Handelnden
ſetzet! wer faͤnde ſonſt in allem in der Welt mehr
Anklaͤger, als der erſte und einzige Handler, der
Schoͤpfer! — Aber, meine Bruͤder, laſſet uns
ja die Pole nicht verlaſſen, um die ſich alles
dreht, Wahrheit, Bewußtſeyn des Wohl-
wollens, Gluͤckſeligkeit der Menſchheit!
laßt
uns am allermeiſten auf der groͤßten Hoͤhe
des Meers,
auf welcher wir jetzt ſchweben, in
Jrr- und Nebellichte, das vielleicht aͤrger iſt,
als voͤllige Nacht, laſſet uns da fleißig nach
dieſen Sternen, den Punkten aller Richtung,
Sicherheit
und Ruhe hinſehen, und denn mit
Treue und Emſigkeit unſern Lauf ſteuren.



Groß muß das Ganze ſeyn, wo in jeder Ein-
zelnheit ſchon ſo ein Ganzes erſcheint! in je-

der
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[186/0190] graden Linien gehen nur immer gerade fort, wuͤrden alles auf der Stelle laſſen? wenn nicht die Gottheit auch auſſerordentliche Men- ſchen, Kometen, in die Sphaͤren der ruhigen Sonnenbahn wuͤrfe, fallen und im tiefſten Falle ſich wieder erheben lieſſe, wohin kein Auge der Erde ſie verfolget. Auch thuts nur Gott oder unter Menſchen ein Thor, daß er jede fernſte moraliſche oder unmoraliſche Zwiſchenfolge ei- ner Handlung auf die Rechnung des Verdien- ſtes und der erſten Abſicht des Handelnden ſetzet! wer faͤnde ſonſt in allem in der Welt mehr Anklaͤger, als der erſte und einzige Handler, der Schoͤpfer! — Aber, meine Bruͤder, laſſet uns ja die Pole nicht verlaſſen, um die ſich alles dreht, Wahrheit, Bewußtſeyn des Wohl- wollens, Gluͤckſeligkeit der Menſchheit! laßt uns am allermeiſten auf der groͤßten Hoͤhe des Meers, auf welcher wir jetzt ſchweben, in Jrr- und Nebellichte, das vielleicht aͤrger iſt, als voͤllige Nacht, laſſet uns da fleißig nach dieſen Sternen, den Punkten aller Richtung, Sicherheit und Ruhe hinſehen, und denn mit Treue und Emſigkeit unſern Lauf ſteuren. Groß muß das Ganze ſeyn, wo in jeder Ein- zelnheit ſchon ſo ein Ganzes erſcheint! in je- der

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Zitationshilfe: [Herder, Johann Gottfried von]: Auch eine Philosophie der Geschichte zur Bildung der Menschheit. [Riga], 1774, S. 186. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_philosophie_1774/190>, abgerufen am 24.11.2024.