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[Herder, Johann Gottfried von]: Auch eine Philosophie der Geschichte zur Bildung der Menschheit. [Riga], 1774.

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Mannes oft in ein zweifelhaftes Licht stellen
können; vielleicht wird selbst dem warmen
Bewunderer in kältern Stunden auch Ne-
bel
und Doppellicht erscheinen. Alle Radien
sind schon dem Mittelpunkte so fern, -- laufen
alle, wohin? und wenn werden sie dahin
kommen?

Man weiß, was man allen Reformatoren
aller Zeiten vorgeworfen, daß wenn sie einen
neuen Schritt thaten, sie auch immer hinter
sich Lücken liessen, vor sich Staub und Er-
schütterung machten, und unter sich Unschul-
diges zertraten. Die Reformatoren der le[z]-
ten Jahrhunderte trift das sichtlicher und dop-
pelt. Luther! Gustav Adolph! Peter der
Grosse! Welche drey
haben in den neuern
Zeiten mehr verändert? edleren Sinnes ge-
ändert? -- und sind ihre, zumal unvorherge-
sehne
Folgen, allemal zugleich unwidersprück-
liche Zunahmen des Glücks ihre Nachkom-
men gewesen? Wer die spätere Geschichte
kennt, wird er nicht manchmal sehr zweifeln?

Ein Monarch, dessen Namen unsre Zeit
mehr trägt und zu tragen verdient, als das
Zeitalter Ludwigs

den
M 3



Mannes oft in ein zweifelhaftes Licht ſtellen
koͤnnen; vielleicht wird ſelbſt dem warmen
Bewunderer in kaͤltern Stunden auch Ne-
bel
und Doppellicht erſcheinen. Alle Radien
ſind ſchon dem Mittelpunkte ſo fern, — laufen
alle, wohin? und wenn werden ſie dahin
kommen?

Man weiß, was man allen Reformatoren
aller Zeiten vorgeworfen, daß wenn ſie einen
neuen Schritt thaten, ſie auch immer hinter
ſich Luͤcken lieſſen, vor ſich Staub und Er-
ſchuͤtterung machten, und unter ſich Unſchul-
diges zertraten. Die Reformatoren der le[z]-
ten Jahrhunderte trift das ſichtlicher und dop-
pelt. Luther! Guſtav Adolph! Peter der
Groſſe! Welche drey
haben in den neuern
Zeiten mehr veraͤndert? edleren Sinnes ge-
aͤndert? — und ſind ihre, zumal unvorherge-
ſehne
Folgen, allemal zugleich unwiderſpruͤck-
liche Zunahmen des Gluͤcks ihre Nachkom-
men geweſen? Wer die ſpaͤtere Geſchichte
kennt, wird er nicht manchmal ſehr zweifeln?

Ein Monarch, deſſen Namen unſre Zeit
mehr traͤgt und zu tragen verdient, als das
Zeitalter Ludwigs

den
M 3
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[181/0185] Mannes oft in ein zweifelhaftes Licht ſtellen koͤnnen; vielleicht wird ſelbſt dem warmen Bewunderer in kaͤltern Stunden auch Ne- bel und Doppellicht erſcheinen. Alle Radien ſind ſchon dem Mittelpunkte ſo fern, — laufen alle, wohin? und wenn werden ſie dahin kommen? Man weiß, was man allen Reformatoren aller Zeiten vorgeworfen, daß wenn ſie einen neuen Schritt thaten, ſie auch immer hinter ſich Luͤcken lieſſen, vor ſich Staub und Er- ſchuͤtterung machten, und unter ſich Unſchul- diges zertraten. Die Reformatoren der lez- ten Jahrhunderte trift das ſichtlicher und dop- pelt. Luther! Guſtav Adolph! Peter der Groſſe! Welche drey haben in den neuern Zeiten mehr veraͤndert? edleren Sinnes ge- aͤndert? — und ſind ihre, zumal unvorherge- ſehne Folgen, allemal zugleich unwiderſpruͤck- liche Zunahmen des Gluͤcks ihre Nachkom- men geweſen? Wer die ſpaͤtere Geſchichte kennt, wird er nicht manchmal ſehr zweifeln? Ein Monarch, deſſen Namen unſre Zeit mehr traͤgt und zu tragen verdient, als das Zeitalter Ludwigs den M 3

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Zitationshilfe: [Herder, Johann Gottfried von]: Auch eine Philosophie der Geschichte zur Bildung der Menschheit. [Riga], 1774, S. 181. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_philosophie_1774/185>, abgerufen am 22.11.2024.