Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 3. Riga, 1767.lerne, nothwendig äußerst einschränket, weil furit, ac velut ursus obiectos caveae valuit si frangere clathros Indoctum doctumque fugat --. Auf der andern Seite wird man es mir natu- F 2
lerne, nothwendig aͤußerſt einſchraͤnket, weil furit, ac velut urſus obiectos caveae valuit ſi frangere clathros Indoctum doctumque fugat —. Auf der andern Seite wird man es mir natu- F 2
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <p><pb facs="#f0091" n="83"/> lerne, nothwendig aͤußerſt einſchraͤnket, weil<lb/> nach dieſen <hi rendition="#fr">Geſezzen</hi> der Gedanke ſich richten<lb/> muß, dagegen in lebendigen Sprachen ſchon<lb/> eher <hi rendition="#fr">das Geſezz</hi> ſich nach dem Gedanken<lb/> richtet. Wenn in jener das Genie hervor-<lb/> bricht: ſo iſts raſend, reißt alles nieder, und<lb/> ſchreckt Gelehrte und Ungelehrte</p><lb/> <lg type="poem"> <l> <hi rendition="#aq">furit, ac velut urſus</hi> </l><lb/> <l> <hi rendition="#aq">obiectos caveae valuit ſi frangere clathros</hi> </l><lb/> <l> <hi rendition="#aq">Indoctum doctumque fugat —.</hi> </l> </lg><lb/> <p>Auf der andern Seite wird man es mir<lb/> noch eher zugeben, daß, wenn nicht die fremde<lb/> Sprache Gewalt leidet, ſie <hi rendition="#fr">Gewalt anthue.</hi><lb/> Wie kann ich eine Sprache <hi rendition="#fr">aus zehn oder<lb/> zwoͤlf</hi> Schriftſtellern <hi rendition="#fr">ganz,</hi> in ihrem <hi rendition="#fr">ganzen<lb/> Umfange, mit aller ihrer Staͤrke, Wuͤr-<lb/> de</hi> und <hi rendition="#fr">Reiz</hi> lernen? Man nehme doch zehn<lb/><hi rendition="#fr">Schriftſteller unter uns,</hi> und ſage ob<lb/> man <hi rendition="#fr">aus ihnen</hi> die <hi rendition="#fr">ganze Sprache</hi> lernen<lb/> werde; ja, man nehme die <hi rendition="#fr">ganze ungeheure</hi><lb/> Menge der unſrigen, laſſe unſre Sprache<lb/> ſterben, und wecke ſie aus ihnen wieder auf?<lb/> Vergebliche Arbeit, die zur Thorheit wuͤrde,<lb/> und uns doch Weisheit duͤnkt, wenn wir<lb/> <fw place="bottom" type="sig">F 2</fw><fw place="bottom" type="catch">natu-</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [83/0091]
lerne, nothwendig aͤußerſt einſchraͤnket, weil
nach dieſen Geſezzen der Gedanke ſich richten
muß, dagegen in lebendigen Sprachen ſchon
eher das Geſezz ſich nach dem Gedanken
richtet. Wenn in jener das Genie hervor-
bricht: ſo iſts raſend, reißt alles nieder, und
ſchreckt Gelehrte und Ungelehrte
furit, ac velut urſus
obiectos caveae valuit ſi frangere clathros
Indoctum doctumque fugat —.
Auf der andern Seite wird man es mir
noch eher zugeben, daß, wenn nicht die fremde
Sprache Gewalt leidet, ſie Gewalt anthue.
Wie kann ich eine Sprache aus zehn oder
zwoͤlf Schriftſtellern ganz, in ihrem ganzen
Umfange, mit aller ihrer Staͤrke, Wuͤr-
de und Reiz lernen? Man nehme doch zehn
Schriftſteller unter uns, und ſage ob
man aus ihnen die ganze Sprache lernen
werde; ja, man nehme die ganze ungeheure
Menge der unſrigen, laſſe unſre Sprache
ſterben, und wecke ſie aus ihnen wieder auf?
Vergebliche Arbeit, die zur Thorheit wuͤrde,
und uns doch Weisheit duͤnkt, wenn wir
natu-
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