Schreibart, die Ehre, an ihm berühmt zu werden, und ihn nach allen Regeln der Gram- matik hochmüthig zu verdammen, und nach allen Privilegien der Poetik und Rhetorik groß- müthig loszusprechen; er gibt allen kurz- und langweiligen Nachrichtern der Gelehrsamkeit die Macht, ihn hier der Dunkelheit, und wo das Licht durchblickt, der Größe, ihn dort der fremden Anspielungen, und wo ihr sie versteht, des Nachdrucks, ihn hier des Zwanges, und wo ihr seinen Zweck erreicht, des Nahrhaften, kurz aller gegen ein ander laufenden Fehler des Ausdrucks, und Tugenden der Gedanken zu tadeln und zu rühmen: er dachte, und der Gedanke formte den Ausdruck: mit diesem hadert! Jura negat sibi data - -
Aber man siehet, daß wenn dieser Schrift- steller nicht ganz mißrathen will: so muß er in seiner Muttersprache schreiben; denn wenn der Gedanke den Ausdruck formen soll: muß der ganze Umfang der Sprache so unter mir seyn, als das Feld von Gedanken: sonst drücke ich mich entweder nicht aus, oder sündige unaufhörlich wider die Sprache. Jch will diesen großen Gedanken in seiner unge-
heuren
Fragm.IIIS. F
Schreibart, die Ehre, an ihm beruͤhmt zu werden, und ihn nach allen Regeln der Gram- matik hochmuͤthig zu verdammen, und nach allen Privilegien der Poetik und Rhetorik groß- muͤthig loszuſprechen; er gibt allen kurz- und langweiligen Nachrichtern der Gelehrſamkeit die Macht, ihn hier der Dunkelheit, und wo das Licht durchblickt, der Groͤße, ihn dort der fremden Anſpielungen, und wo ihr ſie verſteht, des Nachdrucks, ihn hier des Zwanges, und wo ihr ſeinen Zweck erreicht, des Nahrhaften, kurz aller gegen ein ander laufenden Fehler des Ausdrucks, und Tugenden der Gedanken zu tadeln und zu ruͤhmen: er dachte, und der Gedanke formte den Ausdruck: mit dieſem hadert! Jura negat ſibi data ‒ ‒
Aber man ſiehet, daß wenn dieſer Schrift- ſteller nicht ganz mißrathen will: ſo muß er in ſeiner Mutterſprache ſchreiben; denn wenn der Gedanke den Ausdruck formen ſoll: muß der ganze Umfang der Sprache ſo unter mir ſeyn, als das Feld von Gedanken: ſonſt druͤcke ich mich entweder nicht aus, oder ſuͤndige unaufhoͤrlich wider die Sprache. Jch will dieſen großen Gedanken in ſeiner unge-
heuren
Fragm.IIIS. F
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Schreibart, die Ehre, an ihm beruͤhmt zu
werden, und ihn nach allen Regeln der Gram-
matik hochmuͤthig zu verdammen, und nach
allen Privilegien der Poetik und Rhetorik groß-
muͤthig loszuſprechen; er gibt allen kurz- und
langweiligen Nachrichtern der Gelehrſamkeit
die Macht, ihn hier der Dunkelheit, und wo
das Licht durchblickt, der Groͤße, ihn dort der
fremden Anſpielungen, und wo ihr ſie verſteht,
des Nachdrucks, ihn hier des Zwanges, und
wo ihr ſeinen Zweck erreicht, des Nahrhaften,
kurz aller gegen ein ander laufenden Fehler
des Ausdrucks, und Tugenden der Gedanken
zu tadeln und zu ruͤhmen: er dachte, und der
Gedanke formte den Ausdruck: mit dieſem
hadert! Jura negat ſibi data ‒ ‒
Aber man ſiehet, daß wenn dieſer Schrift-
ſteller nicht ganz mißrathen will: ſo muß er
in ſeiner Mutterſprache ſchreiben; denn wenn
der Gedanke den Ausdruck formen ſoll: muß
der ganze Umfang der Sprache ſo unter mir
ſeyn, als das Feld von Gedanken: ſonſt
druͤcke ich mich entweder nicht aus, oder
ſuͤndige unaufhoͤrlich wider die Sprache. Jch
will dieſen großen Gedanken in ſeiner unge-
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Fragm. III S. F
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Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 3. Riga, 1767, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_litteratur03_1767/89>, abgerufen am 22.11.2024.
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