Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 3. Riga, 1767.che nur allmählich gewöhnen: ich muß nicht Der gemeine Mann liest wenig, und noch seine * Eine der schönsten neuern Wochenschriften, der
Hypochondrist, hat uns wieder an den Ein- fall erinnert: wie eine Provinzialwochen- schrift, die dies in hohem Verstande wäre, ein originales Werk seyn könnte, das blos mit den Sitten dieser Provinz unterginge, und das Lieblingsbuch etlicher Zeitalter wäre. che nur allmaͤhlich gewoͤhnen: ich muß nicht Der gemeine Mann lieſt wenig, und noch ſeine * Eine der ſchoͤnſten neuern Wochenſchriften, der
Hypochondriſt, hat uns wieder an den Ein- fall erinnert: wie eine Provinzialwochen- ſchrift, die dies in hohem Verſtande waͤre, ein originales Werk ſeyn koͤnnte, das blos mit den Sitten dieſer Provinz unterginge, und das Lieblingsbuch etlicher Zeitalter waͤre. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <p><pb facs="#f0066" n="58"/><hi rendition="#fr">che</hi> nur allmaͤhlich gewoͤhnen: ich muß nicht<lb/> wie aus den Wolken zu ihm reden: ſondern<lb/> auf ſeinen Grund und Boden treten, und ihn<lb/> allgemach in meine Sphaͤre heben. Unter<lb/> der großen Menge von Beiſpielen waͤhle ich<lb/> die mir hier beifallen.</p><lb/> <p>Der gemeine Mann lieſt wenig, und noch<lb/> weniger iſt fuͤr ihn geſchrieben. <hi rendition="#fr">Dies Wo-<lb/> chenblatt</hi> <note place="foot" n="*">Eine der ſchoͤnſten neuern Wochenſchriften, der<lb/><hi rendition="#fr">Hypochondriſt,</hi> hat uns wieder an den Ein-<lb/> fall erinnert: wie eine <hi rendition="#fr">Provinzialwochen-<lb/> ſchrift,</hi> die dies in hohem Verſtande waͤre, ein<lb/> originales Werk ſeyn koͤnnte, das blos mit den<lb/> Sitten dieſer Provinz unterginge, und das<lb/> Lieblingsbuch etlicher Zeitalter waͤre.</note> ſoll fuͤr ihn geſchrieben ſeyn? —<lb/> Unmoͤglich! denn es iſt voll <hi rendition="#fr">Buͤcherwitz,</hi> voll<lb/> gelehrter Gruͤndlichkeit, in einer Sprache, die<lb/> die Buͤchermotten verſtehen moͤgen, aber nicht<lb/> er, der ſtatt <hi rendition="#fr">Buͤchern</hi> unter <hi rendition="#fr">Menſchen</hi> wan-<lb/> delt, ſie moͤgen ſeyn, von was Stande ſie wol-<lb/> len. Der <hi rendition="#fr">Menſch,</hi> der <hi rendition="#fr">Mann,</hi> die <hi rendition="#fr">Frau,</hi><lb/> der <hi rendition="#fr">Geſellige,</hi> und wie der Leſer weiter will,<lb/> iſt vor dem Pulte geſchrieben, und hat nicht<lb/> die Sprache in ſeiner Gewalt, die jeder Leſer<lb/> ſich von der Zunge geriſſen glaubt, in der er<lb/> <fw place="bottom" type="catch">ſeine</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [58/0066]
che nur allmaͤhlich gewoͤhnen: ich muß nicht
wie aus den Wolken zu ihm reden: ſondern
auf ſeinen Grund und Boden treten, und ihn
allgemach in meine Sphaͤre heben. Unter
der großen Menge von Beiſpielen waͤhle ich
die mir hier beifallen.
Der gemeine Mann lieſt wenig, und noch
weniger iſt fuͤr ihn geſchrieben. Dies Wo-
chenblatt * ſoll fuͤr ihn geſchrieben ſeyn? —
Unmoͤglich! denn es iſt voll Buͤcherwitz, voll
gelehrter Gruͤndlichkeit, in einer Sprache, die
die Buͤchermotten verſtehen moͤgen, aber nicht
er, der ſtatt Buͤchern unter Menſchen wan-
delt, ſie moͤgen ſeyn, von was Stande ſie wol-
len. Der Menſch, der Mann, die Frau,
der Geſellige, und wie der Leſer weiter will,
iſt vor dem Pulte geſchrieben, und hat nicht
die Sprache in ſeiner Gewalt, die jeder Leſer
ſich von der Zunge geriſſen glaubt, in der er
ſeine
* Eine der ſchoͤnſten neuern Wochenſchriften, der
Hypochondriſt, hat uns wieder an den Ein-
fall erinnert: wie eine Provinzialwochen-
ſchrift, die dies in hohem Verſtande waͤre, ein
originales Werk ſeyn koͤnnte, das blos mit den
Sitten dieſer Provinz unterginge, und das
Lieblingsbuch etlicher Zeitalter waͤre.
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