lich. Der Erfinder der Aesthetik, Baum- garten, vermuthete es vielleicht nicht, daß einige seiner Lieblingswörter und Eintheilun- gen bei seinen Nachfolgern Wortschranken werden sollten, wie z. E. seine Horizonte der Erkänntniß, Reichthum, Wahrheit, Größe, Licht, Gewißheit, Leben der Begriffe u. s. w.
Eine Anwendung des Gesagten kömmt hier vielleicht zu rechter Zeit. Wenn der ganze Schatz menschlicher Begriffe durch Worte gesammlet wird: wenn in der ganzen Spra- che des gemeinen Lebens Gedanke am Aus- druck klebt: wenn selbst in der Sprache des Umganges nicht eben häufig die Jdee ohne Wort gedacht wird -- wie muß der Vortrag seyn, der sich in diese Sphäre passen soll? Unmöglich anders als in Worten, die dieser Mundart geläufig sind.
Alle Bücher, die in der Welt von Gegen- ständen, Verrichtungen und Vorfällen zu Hau- se gehören, in welcher der gemeine Mann lebt, können sich nicht in einer neuen Sprache brüsten, oder sie werden lächerlich, unver- ständlich und unnütz. -- Wenn jene Frucht- bringende Gesellschaft der Katze und dem
Scher-
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lich. Der Erfinder der Aeſthetik, Baum- garten, vermuthete es vielleicht nicht, daß einige ſeiner Lieblingswoͤrter und Eintheilun- gen bei ſeinen Nachfolgern Wortſchranken werden ſollten, wie z. E. ſeine Horizonte der Erkaͤnntniß, Reichthum, Wahrheit, Groͤße, Licht, Gewißheit, Leben der Begriffe u. ſ. w.
Eine Anwendung des Geſagten koͤmmt hier vielleicht zu rechter Zeit. Wenn der ganze Schatz menſchlicher Begriffe durch Worte geſammlet wird: wenn in der ganzen Spra- che des gemeinen Lebens Gedanke am Aus- druck klebt: wenn ſelbſt in der Sprache des Umganges nicht eben haͤufig die Jdee ohne Wort gedacht wird — wie muß der Vortrag ſeyn, der ſich in dieſe Sphaͤre paſſen ſoll? Unmoͤglich anders als in Worten, die dieſer Mundart gelaͤufig ſind.
Alle Buͤcher, die in der Welt von Gegen- ſtaͤnden, Verrichtungen und Vorfaͤllen zu Hau- ſe gehoͤren, in welcher der gemeine Mann lebt, koͤnnen ſich nicht in einer neuen Sprache bruͤſten, oder ſie werden laͤcherlich, unver- ſtaͤndlich und unnuͤtz. — Wenn jene Frucht- bringende Geſellſchaft der Katze und dem
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lich. Der Erfinder der Aeſthetik, Baum-
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einige ſeiner Lieblingswoͤrter und Eintheilun-
gen bei ſeinen Nachfolgern Wortſchranken
werden ſollten, wie z. E. ſeine Horizonte der
Erkaͤnntniß, Reichthum, Wahrheit, Groͤße,
Licht, Gewißheit, Leben der Begriffe u. ſ. w.
Eine Anwendung des Geſagten koͤmmt hier
vielleicht zu rechter Zeit. Wenn der ganze
Schatz menſchlicher Begriffe durch Worte
geſammlet wird: wenn in der ganzen Spra-
che des gemeinen Lebens Gedanke am Aus-
druck klebt: wenn ſelbſt in der Sprache des
Umganges nicht eben haͤufig die Jdee ohne
Wort gedacht wird — wie muß der Vortrag
ſeyn, der ſich in dieſe Sphaͤre paſſen ſoll?
Unmoͤglich anders als in Worten, die dieſer
Mundart gelaͤufig ſind.
Alle Buͤcher, die in der Welt von Gegen-
ſtaͤnden, Verrichtungen und Vorfaͤllen zu Hau-
ſe gehoͤren, in welcher der gemeine Mann
lebt, koͤnnen ſich nicht in einer neuen Sprache
bruͤſten, oder ſie werden laͤcherlich, unver-
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Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 3. Riga, 1767, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_litteratur03_1767/63>, abgerufen am 25.11.2024.
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