sich über uns, sondern mit uns oder uns nach denken soll.
Daher entspringt der dritte Schade, der zu den bösen Krankheiten der Weltweisheit an ihren heimlichen Orten gehört: nämlich ein "Lawischer Aktienhandel in Worten, da man "keine Jdee, als nach dem Werthe der Wor- "te, hat." * Der Kunstrichter hält dies fast für nothwendig, und nennt es ** "ästhetisch "Gewäsch, wo immer Gedanke vom Ausdruck "abgesondert, behandelt wird." Er sieht aber doch dabei eine Schwierigkeit, die er nicht ausdrücken kann. Vielleicht gelingt es mir, sie kurz und gut darzustellen, und we- nigstens die Sache auf beiden Seiten zu be- trachten: wie fern es nöthig und nützlich; und wie fern es unnöthig und schädlich werde, daß der Gedanke am Ausdruck klebe -- eine delikate Materie der philosophischen Sprachkunst! -- Mein Spazziergang ent- fernt sich, aber endlich muß er doch in den Weg einschlagen, den ich verlasse.
5. Al-
* Litt. Br. Th. 17. p. 115.
** p. 114.
Fragm.IIIS. D
ſich uͤber uns, ſondern mit uns oder uns nach denken ſoll.
Daher entſpringt der dritte Schade, der zu den boͤſen Krankheiten der Weltweisheit an ihren heimlichen Orten gehoͤrt: naͤmlich ein „Lawiſcher Aktienhandel in Worten, da man „keine Jdee, als nach dem Werthe der Wor- „te, hat.„ * Der Kunſtrichter haͤlt dies faſt fuͤr nothwendig, und nennt es ** „aͤſthetiſch „Gewaͤſch, wo immer Gedanke vom Ausdruck „abgeſondert, behandelt wird.„ Er ſieht aber doch dabei eine Schwierigkeit, die er nicht ausdruͤcken kann. Vielleicht gelingt es mir, ſie kurz und gut darzuſtellen, und we- nigſtens die Sache auf beiden Seiten zu be- trachten: wie fern es noͤthig und nuͤtzlich; und wie fern es unnoͤthig und ſchaͤdlich werde, daß der Gedanke am Ausdruck klebe — eine delikate Materie der philoſophiſchen Sprachkunſt! — Mein Spazziergang ent- fernt ſich, aber endlich muß er doch in den Weg einſchlagen, den ich verlaſſe.
5. Al-
* Litt. Br. Th. 17. p. 115.
** p. 114.
Fragm.IIIS. D
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ſich uͤber uns, ſondern mit uns oder uns
nach denken ſoll.
Daher entſpringt der dritte Schade, der
zu den boͤſen Krankheiten der Weltweisheit an
ihren heimlichen Orten gehoͤrt: naͤmlich ein
„Lawiſcher Aktienhandel in Worten, da man
„keine Jdee, als nach dem Werthe der Wor-
„te, hat.„ * Der Kunſtrichter haͤlt dies faſt
fuͤr nothwendig, und nennt es ** „aͤſthetiſch
„Gewaͤſch, wo immer Gedanke vom Ausdruck
„abgeſondert, behandelt wird.„ Er ſieht
aber doch dabei eine Schwierigkeit, die er
nicht ausdruͤcken kann. Vielleicht gelingt es
mir, ſie kurz und gut darzuſtellen, und we-
nigſtens die Sache auf beiden Seiten zu be-
trachten: wie fern es noͤthig und nuͤtzlich;
und wie fern es unnoͤthig und ſchaͤdlich werde,
daß der Gedanke am Ausdruck klebe —
eine delikate Materie der philoſophiſchen
Sprachkunſt! — Mein Spazziergang ent-
fernt ſich, aber endlich muß er doch in den
Weg einſchlagen, den ich verlaſſe.
5. Al-
* Litt. Br. Th. 17. p. 115.
** p. 114.
Fragm. III S. D
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Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 3. Riga, 1767, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_litteratur03_1767/57>, abgerufen am 25.11.2024.
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