ist bildend für das Genie; weil sie es aber auch sehr oft unterdrückt; weil die, so die Al- ten in ihrem Glanze kennen, oft auch von ih- nen geblendet werden; so hat Young in sei- ner Schrift von Originalwerken * Recht, daß meistens das Lesen der Alten schädlich wird; er hat Recht, ohne doch daß das Le- sen der Alten auch nur im geringsten Stücke deswegen abzuschaffen wäre. -- Es erfordert noch eine eigne und sorgfältigere Betrachtung; ob dieser Schade nicht unter so vielen großen Nutzen verschwinde, ob wir denn Original- köpfe so nöthig brauchen, wie fern sie heute zu Tage möglich und zu hoffen sind u. s. w.
So bald wir aber die Alten loben, anbe- ten, und knechtisch nachahmen, weil sie Alte sind: so bald man von ihnen abborget, oder sie bestiehlt, weil man alsdenn eine neue An- tike, oder ein Moderner nach altem Geschmack wird: so ist die Nachahmung unleidlich: man
betrach-
* Jch führe dies Exempel an, weil man den gu- ten Young in Deutschland förmlich widerlegt hat: s. Rambachs Sendschreiben über die Fra- ge, ob das Lesen der Alten an dem Mangel der Originalscribenten Schuld sey.
iſt bildend fuͤr das Genie; weil ſie es aber auch ſehr oft unterdruͤckt; weil die, ſo die Al- ten in ihrem Glanze kennen, oft auch von ih- nen geblendet werden; ſo hat Young in ſei- ner Schrift von Originalwerken * Recht, daß meiſtens das Leſen der Alten ſchaͤdlich wird; er hat Recht, ohne doch daß das Le- ſen der Alten auch nur im geringſten Stuͤcke deswegen abzuſchaffen waͤre. — Es erfordert noch eine eigne und ſorgfaͤltigere Betrachtung; ob dieſer Schade nicht unter ſo vielen großen Nutzen verſchwinde, ob wir denn Original- koͤpfe ſo noͤthig brauchen, wie fern ſie heute zu Tage moͤglich und zu hoffen ſind u. ſ. w.
So bald wir aber die Alten loben, anbe- ten, und knechtiſch nachahmen, weil ſie Alte ſind: ſo bald man von ihnen abborget, oder ſie beſtiehlt, weil man alsdenn eine neue An- tike, oder ein Moderner nach altem Geſchmack wird: ſo iſt die Nachahmung unleidlich: man
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* Jch fuͤhre dies Exempel an, weil man den gu- ten Young in Deutſchland foͤrmlich widerlegt hat: ſ. Rambachs Sendſchreiben uͤber die Fra- ge, ob das Leſen der Alten an dem Mangel der Originalſcribenten Schuld ſey.
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iſt bildend fuͤr das Genie; weil ſie es aber
auch ſehr oft unterdruͤckt; weil die, ſo die Al-
ten in ihrem Glanze kennen, oft auch von ih-
nen geblendet werden; ſo hat Young in ſei-
ner Schrift von Originalwerken * Recht,
daß meiſtens das Leſen der Alten ſchaͤdlich
wird; er hat Recht, ohne doch daß das Le-
ſen der Alten auch nur im geringſten Stuͤcke
deswegen abzuſchaffen waͤre. — Es erfordert
noch eine eigne und ſorgfaͤltigere Betrachtung;
ob dieſer Schade nicht unter ſo vielen großen
Nutzen verſchwinde, ob wir denn Original-
koͤpfe ſo noͤthig brauchen, wie fern ſie heute
zu Tage moͤglich und zu hoffen ſind u. ſ. w.
So bald wir aber die Alten loben, anbe-
ten, und knechtiſch nachahmen, weil ſie Alte
ſind: ſo bald man von ihnen abborget, oder
ſie beſtiehlt, weil man alsdenn eine neue An-
tike, oder ein Moderner nach altem Geſchmack
wird: ſo iſt die Nachahmung unleidlich: man
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* Jch fuͤhre dies Exempel an, weil man den gu-
ten Young in Deutſchland foͤrmlich widerlegt
hat: ſ. Rambachs Sendſchreiben uͤber die Fra-
ge, ob das Leſen der Alten an dem Mangel
der Originalſcribenten Schuld ſey.
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Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 3. Riga, 1767, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_litteratur03_1767/53>, abgerufen am 18.07.2024.
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