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Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 3. Riga, 1767.

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bald die Eingebohrnen, und der Charakter
des Staats geht also verloren, wenn sie auch
eben nicht neue Gesezze einführen.

Aber warum läßt Heinze unter den An-
kömmlingen, denen er den Eintritt versagt,
wohlbedächtig die lateinische Redarten, und
Wortfügungen aus? verliert sich durch sie
nicht das alte reine Deutsche, das er erhalten
will? Mehr, als durch alles Vorige: denn
das Morgenländische ist seit Jahrhunderten
mit unsrer Religionssprache verwebt, und
wird sich nie, dem herrschenden Tone nach,
trennen: das Englische ist mit unsrer Sprache
sehr verwandt: das Französische hat sich mit
einem Theil unsrer neuern Cultur herüberge-
tragen; diese beiden Stücke sind also auch
nicht immer zu trennen; vom Griechischen ist
noch wenig angewandt; aber vom Lateini-
schen,
das fast mehr, als alle vorigen Spra-
chen, vom Genie der unsrigen abgehet, und
ihr so lange hinderlich gewesen, von ihm hat
sie am meisten unter diesen zu besorgen.

Daher schreibt Heinze zwar rein Deutsch;
aber auch naiv körnicht Deutsch? -- Jch
habe sein Soliloquium: quo consilio geni-

tus

bald die Eingebohrnen, und der Charakter
des Staats geht alſo verloren, wenn ſie auch
eben nicht neue Geſezze einfuͤhren.

Aber warum laͤßt Heinze unter den An-
koͤmmlingen, denen er den Eintritt verſagt,
wohlbedaͤchtig die lateiniſche Redarten, und
Wortfuͤgungen aus? verliert ſich durch ſie
nicht das alte reine Deutſche, das er erhalten
will? Mehr, als durch alles Vorige: denn
das Morgenlaͤndiſche iſt ſeit Jahrhunderten
mit unſrer Religionsſprache verwebt, und
wird ſich nie, dem herrſchenden Tone nach,
trennen: das Engliſche iſt mit unſrer Sprache
ſehr verwandt: das Franzoͤſiſche hat ſich mit
einem Theil unſrer neuern Cultur heruͤberge-
tragen; dieſe beiden Stuͤcke ſind alſo auch
nicht immer zu trennen; vom Griechiſchen iſt
noch wenig angewandt; aber vom Lateini-
ſchen,
das faſt mehr, als alle vorigen Spra-
chen, vom Genie der unſrigen abgehet, und
ihr ſo lange hinderlich geweſen, von ihm hat
ſie am meiſten unter dieſen zu beſorgen.

Daher ſchreibt Heinze zwar rein Deutſch;
aber auch naiv koͤrnicht Deutſch? — Jch
habe ſein Soliloquium: quo conſilio geni-

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[32/0040] bald die Eingebohrnen, und der Charakter des Staats geht alſo verloren, wenn ſie auch eben nicht neue Geſezze einfuͤhren. Aber warum laͤßt Heinze unter den An- koͤmmlingen, denen er den Eintritt verſagt, wohlbedaͤchtig die lateiniſche Redarten, und Wortfuͤgungen aus? verliert ſich durch ſie nicht das alte reine Deutſche, das er erhalten will? Mehr, als durch alles Vorige: denn das Morgenlaͤndiſche iſt ſeit Jahrhunderten mit unſrer Religionsſprache verwebt, und wird ſich nie, dem herrſchenden Tone nach, trennen: das Engliſche iſt mit unſrer Sprache ſehr verwandt: das Franzoͤſiſche hat ſich mit einem Theil unſrer neuern Cultur heruͤberge- tragen; dieſe beiden Stuͤcke ſind alſo auch nicht immer zu trennen; vom Griechiſchen iſt noch wenig angewandt; aber vom Lateini- ſchen, das faſt mehr, als alle vorigen Spra- chen, vom Genie der unſrigen abgehet, und ihr ſo lange hinderlich geweſen, von ihm hat ſie am meiſten unter dieſen zu beſorgen. Daher ſchreibt Heinze zwar rein Deutſch; aber auch naiv koͤrnicht Deutſch? — Jch habe ſein Soliloquium: quo conſilio geni- tus

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 3. Riga, 1767, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_litteratur03_1767/40>, abgerufen am 21.11.2024.