"kömmt ihm darauf an, daß eine gewisse "Denkungsart und Gesinnung bei dem Men- "schen auf immer das regierende Principium "seiner Handlungen und seines Lebens werde: "und das ist nicht das Werk einer bloßen "Rührung. Es gehören klare und gewisse "Erkenntnisse dazu, die in den stillen Stun- "den des Nachdenkens eine jede Prüfung aus- "halten. Dieses Licht aber entsteht nicht "aus der Hizze der Gemüthsbewegungen, son- "dern erfodert eine kältere Ueberzeugung." Dies sind Worte eines Gottesgelehrten, der selbst ein Kanzelredner ist *.
Noch ein andres Zeugniß **, über eine Sache, von der ich gern andre reden lasse: Die Kunst, die Affekten zu erregen, ist bei den Gottesgelehrten so wohl, als bei den fa- natischen und enthusiastischen Predigern, in großer Hochachtung, und man wendet vielen Fleiß darauf.
Die zwei großen Redner in Griechenland und Rom, Demosthenes und Cicero, beide
Dema-
* s. Spaldings Werth der Gefühle p. 195. 196.
** Litt. Br. Th. 1. p. 70. aus den moral. Beobacht. und Urtheilen. Zürich 1757.
S 4
„koͤmmt ihm darauf an, daß eine gewiſſe „Denkungsart und Geſinnung bei dem Men- „ſchen auf immer das regierende Principium „ſeiner Handlungen und ſeines Lebens werde: „und das iſt nicht das Werk einer bloßen „Ruͤhrung. Es gehoͤren klare und gewiſſe „Erkenntniſſe dazu, die in den ſtillen Stun- „den des Nachdenkens eine jede Pruͤfung aus- „halten. Dieſes Licht aber entſteht nicht „aus der Hizze der Gemuͤthsbewegungen, ſon- „dern erfodert eine kaͤltere Ueberzeugung.„ Dies ſind Worte eines Gottesgelehrten, der ſelbſt ein Kanzelredner iſt *.
Noch ein andres Zeugniß **, uͤber eine Sache, von der ich gern andre reden laſſe: Die Kunſt, die Affekten zu erregen, iſt bei den Gottesgelehrten ſo wohl, als bei den fa- natiſchen und enthuſiaſtiſchen Predigern, in großer Hochachtung, und man wendet vielen Fleiß darauf.
Die zwei großen Redner in Griechenland und Rom, Demoſthenes und Cicero, beide
Dema-
* ſ. Spaldings Werth der Gefuͤhle p. 195. 196.
** Litt. Br. Th. 1. p. 70. aus den moral. Beobacht. und Urtheilen. Zuͤrich 1757.
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„koͤmmt ihm darauf an, daß eine gewiſſe
„Denkungsart und Geſinnung bei dem Men-
„ſchen auf immer das regierende Principium
„ſeiner Handlungen und ſeines Lebens werde:
„und das iſt nicht das Werk einer bloßen
„Ruͤhrung. Es gehoͤren klare und gewiſſe
„Erkenntniſſe dazu, die in den ſtillen Stun-
„den des Nachdenkens eine jede Pruͤfung aus-
„halten. Dieſes Licht aber entſteht nicht
„aus der Hizze der Gemuͤthsbewegungen, ſon-
„dern erfodert eine kaͤltere Ueberzeugung.„
Dies ſind Worte eines Gottesgelehrten, der
ſelbſt ein Kanzelredner iſt *.
Noch ein andres Zeugniß **, uͤber eine
Sache, von der ich gern andre reden laſſe:
Die Kunſt, die Affekten zu erregen, iſt bei
den Gottesgelehrten ſo wohl, als bei den fa-
natiſchen und enthuſiaſtiſchen Predigern, in
großer Hochachtung, und man wendet vielen
Fleiß darauf.
Die zwei großen Redner in Griechenland
und Rom, Demoſthenes und Cicero, beide
Dema-
* ſ. Spaldings Werth der Gefuͤhle p. 195. 196.
** Litt. Br. Th. 1. p. 70. aus den moral.
Beobacht. und Urtheilen. Zuͤrich 1757.
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Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 3. Riga, 1767, S. 279. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_litteratur03_1767/287>, abgerufen am 16.02.2025.
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