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Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 3. Riga, 1767.

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"derselben nicht gefragt; die Vornehmen wer-
"den nicht angeklagt und vertheidigt, sondern
"fallen in Ungnade: und im Kabinette ge-
"schieht der Ausspruch: es soll Krieg seyn,
"weil wir es wollen, und Friede, weil wir
"nicht mehr können -- und der Unterthan
"hört es. Nun kommt zu Haufen, ihr De-
"mosthenen
und Ciceronen. Nicht wahr,
"alles ist euch fremde; -- verlaßt den klei-
"nen Markt, und lernt -- trockne Processe.

"Jch thue noch einen Schritt: die große
"Beredsamkeit kann nirgends, als in der ge-
"richtlichen
Art zu reden angebracht werden.
"Das Forum ist das einzige Treibhaus für
"sie, und jeder andre Boden zu kalt. Wir
"wollen sehen, was die gerichtliche Art für
"Vortheile habe; ob diese Vortheile die große
"Beredsamkeit zuwege bringen; und ob die
"andern Arten eben diese Vortheile ver-
"schaffen.

"Die Materien bei der gerichtlichen Art
"sind immer neu; immer höchstwichtig,
"selbst nach der Meinung der Zuhörer. Die
"Zeit zwischen der Ueberlegung und dem Er-
"folg ist kurz. Dadurch drängen sich die Gegen-

"stände

„derſelben nicht gefragt; die Vornehmen wer-
„den nicht angeklagt und vertheidigt, ſondern
„fallen in Ungnade: und im Kabinette ge-
„ſchieht der Ausſpruch: es ſoll Krieg ſeyn,
„weil wir es wollen, und Friede, weil wir
„nicht mehr koͤnnen — und der Unterthan
„hoͤrt es. Nun kommt zu Haufen, ihr De-
„moſthenen
und Ciceronen. Nicht wahr,
„alles iſt euch fremde; — verlaßt den klei-
„nen Markt, und lernt — trockne Proceſſe.

„Jch thue noch einen Schritt: die große
„Beredſamkeit kann nirgends, als in der ge-
„richtlichen
Art zu reden angebracht werden.
„Das Forum iſt das einzige Treibhaus fuͤr
„ſie, und jeder andre Boden zu kalt. Wir
„wollen ſehen, was die gerichtliche Art fuͤr
„Vortheile habe; ob dieſe Vortheile die große
„Beredſamkeit zuwege bringen; und ob die
„andern Arten eben dieſe Vortheile ver-
„ſchaffen.

„Die Materien bei der gerichtlichen Art
„ſind immer neu; immer hoͤchſtwichtig,
„ſelbſt nach der Meinung der Zuhoͤrer. Die
Zeit zwiſchen der Ueberlegung und dem Er-
„folg iſt kurz. Dadurch draͤngen ſich die Gegen-

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[264/0272] „derſelben nicht gefragt; die Vornehmen wer- „den nicht angeklagt und vertheidigt, ſondern „fallen in Ungnade: und im Kabinette ge- „ſchieht der Ausſpruch: es ſoll Krieg ſeyn, „weil wir es wollen, und Friede, weil wir „nicht mehr koͤnnen — und der Unterthan „hoͤrt es. Nun kommt zu Haufen, ihr De- „moſthenen und Ciceronen. Nicht wahr, „alles iſt euch fremde; — verlaßt den klei- „nen Markt, und lernt — trockne Proceſſe. „Jch thue noch einen Schritt: die große „Beredſamkeit kann nirgends, als in der ge- „richtlichen Art zu reden angebracht werden. „Das Forum iſt das einzige Treibhaus fuͤr „ſie, und jeder andre Boden zu kalt. Wir „wollen ſehen, was die gerichtliche Art fuͤr „Vortheile habe; ob dieſe Vortheile die große „Beredſamkeit zuwege bringen; und ob die „andern Arten eben dieſe Vortheile ver- „ſchaffen. „Die Materien bei der gerichtlichen Art „ſind immer neu; immer hoͤchſtwichtig, „ſelbſt nach der Meinung der Zuhoͤrer. Die „Zeit zwiſchen der Ueberlegung und dem Er- „folg iſt kurz. Dadurch draͤngen ſich die Gegen- „ſtaͤnde

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 3. Riga, 1767, S. 264. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_litteratur03_1767/272>, abgerufen am 22.11.2024.