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Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 3. Riga, 1767.

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durchgeführt werden können *: denn eben
durch sein Zaudern ward Fabius Roms Ret-
ter, und vielleicht durch dies Zaudern allein,
das blos der Pöbel in Rom, der junge hitzige
Marcell und der Eisenfresser Varro, zur spä-
ten Reue tadeln konnte. Statt eines beißen-
den Tadels wäre also die Ode ein feines Lob
geworden, wenn sie den Einfall fortgesezzt
hätte: denn so kann Sonnenfels auf den
Tod dieses Generals singen:

Der Held -- Rom wagt von seinem Fabius
Zu kühn ein Urtheil, Wien von Jhm.
Den Zauderer rechtfertigt Annibal
Und Daunen Friederich.

Man denke aber nicht, daß Rammler blos
in der Wahl seines Hauptgedankens so glück-
lich sey: sein allegorischer Genius verläßt
ihn nie, und oft sind in Theilen der Ode die

Erdich-
* Jch glaube, dies ists, was diesem artigen,
schönen, sinnreichen Gedichtchen zur Ode fehlt;
nicht aber die Odenwendnng (s. Litt. Br.
Th. 8. p. 388.) Denn nicht jede Ode darf ja
eben den kühnen Flug der Muse haben, die
sich wirrt, doch nie verirret --
Jch finde auch, nach dem, was ich vom Fa-
bius
weiß, nichts zu beißendes in dieser Ode.

durchgefuͤhrt werden koͤnnen *: denn eben
durch ſein Zaudern ward Fabius Roms Ret-
ter, und vielleicht durch dies Zaudern allein,
das blos der Poͤbel in Rom, der junge hitzige
Marcell und der Eiſenfreſſer Varro, zur ſpaͤ-
ten Reue tadeln konnte. Statt eines beißen-
den Tadels waͤre alſo die Ode ein feines Lob
geworden, wenn ſie den Einfall fortgeſezzt
haͤtte: denn ſo kann Sonnenfels auf den
Tod dieſes Generals ſingen:

Der Held — Rom wagt von ſeinem Fabius
Zu kuͤhn ein Urtheil, Wien von Jhm.
Den Zauderer rechtfertigt Annibal
Und Daunen Friederich.

Man denke aber nicht, daß Rammler blos
in der Wahl ſeines Hauptgedankens ſo gluͤck-
lich ſey: ſein allegoriſcher Genius verlaͤßt
ihn nie, und oft ſind in Theilen der Ode die

Erdich-
* Jch glaube, dies iſts, was dieſem artigen,
ſchoͤnen, ſinnreichen Gedichtchen zur Ode fehlt;
nicht aber die Odenwendnng (ſ. Litt. Br.
Th. 8. p. 388.) Denn nicht jede Ode darf ja
eben den kuͤhnen Flug der Muſe haben, die
ſich wirrt, doch nie verirret —
Jch finde auch, nach dem, was ich vom Fa-
bius
weiß, nichts zu beißendes in dieſer Ode.
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[175/0183] durchgefuͤhrt werden koͤnnen *: denn eben durch ſein Zaudern ward Fabius Roms Ret- ter, und vielleicht durch dies Zaudern allein, das blos der Poͤbel in Rom, der junge hitzige Marcell und der Eiſenfreſſer Varro, zur ſpaͤ- ten Reue tadeln konnte. Statt eines beißen- den Tadels waͤre alſo die Ode ein feines Lob geworden, wenn ſie den Einfall fortgeſezzt haͤtte: denn ſo kann Sonnenfels auf den Tod dieſes Generals ſingen: Der Held — Rom wagt von ſeinem Fabius Zu kuͤhn ein Urtheil, Wien von Jhm. Den Zauderer rechtfertigt Annibal Und Daunen Friederich. Man denke aber nicht, daß Rammler blos in der Wahl ſeines Hauptgedankens ſo gluͤck- lich ſey: ſein allegoriſcher Genius verlaͤßt ihn nie, und oft ſind in Theilen der Ode die Erdich- * Jch glaube, dies iſts, was dieſem artigen, ſchoͤnen, ſinnreichen Gedichtchen zur Ode fehlt; nicht aber die Odenwendnng (ſ. Litt. Br. Th. 8. p. 388.) Denn nicht jede Ode darf ja eben den kuͤhnen Flug der Muſe haben, die ſich wirrt, doch nie verirret — Jch finde auch, nach dem, was ich vom Fa- bius weiß, nichts zu beißendes in dieſer Ode.

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 3. Riga, 1767, S. 175. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_litteratur03_1767/183>, abgerufen am 22.11.2024.