sen, das ist leichter; das erhebt über Nach- ahmer, und zeichnet den Dichter. Man wen- de die alten Bilder und Geschichte auf nähere Vorfälle an: legt in sie einen neuen poeti- schen Sinn, verändert sie hier und da, um einen neuen Zweck zu erreichen; verbindet und trennet, führt fort und lenket seitwärts, geht zurück, oder steht stille, um alles blos als Hausgeräth zu seiner Nothdurst, Bequemlich- keit und Auszierung nach seiner Absicht, und der Mode seiner Zeit, als Hausherr und Be- sitzer zu brauchen.
6.
Was? höre ich hier einen Kunstrichter ent- gegen rufen: "daraus werden mythologische "Unwahrheiten: z. E. nun darf Sysiphus "schlafen, Tantalus trinken u. s. w. Diese "Fabeln haben in der Mythologie einmal ih- "ren gewissen Standpunkt, und ihn umdre- "hen wollen, heißt das System der Mytho- "logie niederreißen. Sie werden an keinem
"ein-
ſen, das iſt leichter; das erhebt uͤber Nach- ahmer, und zeichnet den Dichter. Man wen- de die alten Bilder und Geſchichte auf naͤhere Vorfaͤlle an: legt in ſie einen neuen poeti- ſchen Sinn, veraͤndert ſie hier und da, um einen neuen Zweck zu erreichen; verbindet und trennet, fuͤhrt fort und lenket ſeitwaͤrts, geht zuruͤck, oder ſteht ſtille, um alles blos als Hausgeraͤth zu ſeiner Nothdurſt, Bequemlich- keit und Auszierung nach ſeiner Abſicht, und der Mode ſeiner Zeit, als Hausherr und Be- ſitzer zu brauchen.
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Was? hoͤre ich hier einen Kunſtrichter ent- gegen rufen: „daraus werden mythologiſche „Unwahrheiten: z. E. nun darf Syſiphus „ſchlafen, Tantalus trinken u. ſ. w. Dieſe „Fabeln haben in der Mythologie einmal ih- „ren gewiſſen Standpunkt, und ihn umdre- „hen wollen, heißt das Syſtem der Mytho- „logie niederreißen. Sie werden an keinem
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ſen, das iſt leichter; das erhebt uͤber Nach-
ahmer, und zeichnet den Dichter. Man wen-
de die alten Bilder und Geſchichte auf naͤhere
Vorfaͤlle an: legt in ſie einen neuen poeti-
ſchen Sinn, veraͤndert ſie hier und da, um
einen neuen Zweck zu erreichen; verbindet
und trennet, fuͤhrt fort und lenket ſeitwaͤrts,
geht zuruͤck, oder ſteht ſtille, um alles blos als
Hausgeraͤth zu ſeiner Nothdurſt, Bequemlich-
keit und Auszierung nach ſeiner Abſicht, und
der Mode ſeiner Zeit, als Hausherr und Be-
ſitzer zu brauchen.
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Was? hoͤre ich hier einen Kunſtrichter ent-
gegen rufen: „daraus werden mythologiſche
„Unwahrheiten: z. E. nun darf Syſiphus
„ſchlafen, Tantalus trinken u. ſ. w. Dieſe
„Fabeln haben in der Mythologie einmal ih-
„ren gewiſſen Standpunkt, und ihn umdre-
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Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 3. Riga, 1767, S. 159. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_litteratur03_1767/167>, abgerufen am 24.11.2024.
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