Wenn man mythologische Geschichte er- zält, blos weil sie die Alten erzält: so fehlt wieder der Zweck des Neuen; ich nehme die- sen aber nicht blos im Gesichtspunkt der Mo- ral, sondern der Poesie; sonst würde ich alles einschränken. Soll etwas nicht Uebersezzung seyn: so muß es für uns einen Zweck haben, und wo möglich im Ganzen. Man möchte dies letzte an Wielands komischen Erzä- lungen vermissen, allein, die Art der Erzälung gibt ihm in allen Theilen Zweck und Neuheit gnug. Wenn im Ganzen nicht gnug Haupt- zweck und Hauptton herrschen dörfte: so sind die komischen Nebenzüge unterhaltend.
Man hüte sich vor der Mythologie, die durch einzelne Bilder spricht; denn entweder kann man dieser entrathen, als eines über- flüßigen Puzzes; oder, wenn man sie zu poe- tischen Zwecken braucht, so wird leicht spie- lende und gezwungne Allegorie draus. Hin- gegen bediene man sich ihrer in Handlung, dann wird sie nie erscheinen, als wenn sie un- entbehrlich ist, und wo sie erscheint, wird sie als poetische Fiktion, gleichsam in dem Ge- wande der Fabel sich zeigen. Jn diesem Ge-
wande
Wenn man mythologiſche Geſchichte er- zaͤlt, blos weil ſie die Alten erzaͤlt: ſo fehlt wieder der Zweck des Neuen; ich nehme die- ſen aber nicht blos im Geſichtspunkt der Mo- ral, ſondern der Poeſie; ſonſt wuͤrde ich alles einſchraͤnken. Soll etwas nicht Ueberſezzung ſeyn: ſo muß es fuͤr uns einen Zweck haben, und wo moͤglich im Ganzen. Man moͤchte dies letzte an Wielands komiſchen Erzaͤ- lungen vermiſſen, allein, die Art der Erzaͤlung gibt ihm in allen Theilen Zweck und Neuheit gnug. Wenn im Ganzen nicht gnug Haupt- zweck und Hauptton herrſchen doͤrfte: ſo ſind die komiſchen Nebenzuͤge unterhaltend.
Man huͤte ſich vor der Mythologie, die durch einzelne Bilder ſpricht; denn entweder kann man dieſer entrathen, als eines uͤber- fluͤßigen Puzzes; oder, wenn man ſie zu poe- tiſchen Zwecken braucht, ſo wird leicht ſpie- lende und gezwungne Allegorie draus. Hin- gegen bediene man ſich ihrer in Handlung, dann wird ſie nie erſcheinen, als wenn ſie un- entbehrlich iſt, und wo ſie erſcheint, wird ſie als poetiſche Fiktion, gleichſam in dem Ge- wande der Fabel ſich zeigen. Jn dieſem Ge-
wande
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Wenn man mythologiſche Geſchichte er-
zaͤlt, blos weil ſie die Alten erzaͤlt: ſo fehlt
wieder der Zweck des Neuen; ich nehme die-
ſen aber nicht blos im Geſichtspunkt der Mo-
ral, ſondern der Poeſie; ſonſt wuͤrde ich alles
einſchraͤnken. Soll etwas nicht Ueberſezzung
ſeyn: ſo muß es fuͤr uns einen Zweck haben,
und wo moͤglich im Ganzen. Man moͤchte
dies letzte an Wielands komiſchen Erzaͤ-
lungen vermiſſen, allein, die Art der Erzaͤlung
gibt ihm in allen Theilen Zweck und Neuheit
gnug. Wenn im Ganzen nicht gnug Haupt-
zweck und Hauptton herrſchen doͤrfte: ſo
ſind die komiſchen Nebenzuͤge unterhaltend.
Man huͤte ſich vor der Mythologie, die
durch einzelne Bilder ſpricht; denn entweder
kann man dieſer entrathen, als eines uͤber-
fluͤßigen Puzzes; oder, wenn man ſie zu poe-
tiſchen Zwecken braucht, ſo wird leicht ſpie-
lende und gezwungne Allegorie draus. Hin-
gegen bediene man ſich ihrer in Handlung,
dann wird ſie nie erſcheinen, als wenn ſie un-
entbehrlich iſt, und wo ſie erſcheint, wird ſie
als poetiſche Fiktion, gleichſam in dem Ge-
wande der Fabel ſich zeigen. Jn dieſem Ge-
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Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 3. Riga, 1767, S. 152. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_litteratur03_1767/160>, abgerufen am 24.11.2024.
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