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Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 3. Riga, 1767.

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Will ich die Sprachengelehrsamkeit ver-
läumden? der lateinischen Sprache etwas
von ihrer Schönheit oder Verdiensten abspre-
chen? Gar nicht! Sie soll unsre gelehrte
Sprache bleiben, die ein Band der Nationen
ist; -- sie soll die Sprache der Forscher
des Alterthums
bleiben, weil es ein wun-
derbarer Anblick seyn würde, einen griechi-
schen
oder lateinischen Autor mit deutschen
Noten und einer deutschen Vorrede in die Bü-
chersäle der Gelehrten zu senden: sie soll die
akademische Sprache der Gelehrsamkeit blei-
ben, weil sonst eine allgemeine Barbarei er-
folgen würde, da wir uns auf andre verlas-
sen, und es blos einem Triumvirat von Schrift-
stellern in einem ganzen Lande aufgeben, die
lateinische Sprache zu erhalten: sie soll in
allen Sachen ihre Stimme haben, wo die
Alten erklärt, ausgelegt, und in ihren Schön-
heiten vorgezeigt werden: kurz! sie soll das
Werkzeug der Gelehrsamkeit bleiben, das
seit so vielen Jahrhunderten diese Ehre gehabt,
und mit dem so große Dinge ausgeführet
worden sind.

Aber
G 2

Will ich die Sprachengelehrſamkeit ver-
laͤumden? der lateiniſchen Sprache etwas
von ihrer Schoͤnheit oder Verdienſten abſpre-
chen? Gar nicht! Sie ſoll unſre gelehrte
Sprache bleiben, die ein Band der Nationen
iſt; — ſie ſoll die Sprache der Forſcher
des Alterthums
bleiben, weil es ein wun-
derbarer Anblick ſeyn wuͤrde, einen griechi-
ſchen
oder lateiniſchen Autor mit deutſchen
Noten und einer deutſchen Vorrede in die Buͤ-
cherſaͤle der Gelehrten zu ſenden: ſie ſoll die
akademiſche Sprache der Gelehrſamkeit blei-
ben, weil ſonſt eine allgemeine Barbarei er-
folgen wuͤrde, da wir uns auf andre verlaſ-
ſen, und es blos einem Triumvirat von Schrift-
ſtellern in einem ganzen Lande aufgeben, die
lateiniſche Sprache zu erhalten: ſie ſoll in
allen Sachen ihre Stimme haben, wo die
Alten erklaͤrt, ausgelegt, und in ihren Schoͤn-
heiten vorgezeigt werden: kurz! ſie ſoll das
Werkzeug der Gelehrſamkeit bleiben, das
ſeit ſo vielen Jahrhunderten dieſe Ehre gehabt,
und mit dem ſo große Dinge ausgefuͤhret
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Aber
G 2
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[99/0107] Will ich die Sprachengelehrſamkeit ver- laͤumden? der lateiniſchen Sprache etwas von ihrer Schoͤnheit oder Verdienſten abſpre- chen? Gar nicht! Sie ſoll unſre gelehrte Sprache bleiben, die ein Band der Nationen iſt; — ſie ſoll die Sprache der Forſcher des Alterthums bleiben, weil es ein wun- derbarer Anblick ſeyn wuͤrde, einen griechi- ſchen oder lateiniſchen Autor mit deutſchen Noten und einer deutſchen Vorrede in die Buͤ- cherſaͤle der Gelehrten zu ſenden: ſie ſoll die akademiſche Sprache der Gelehrſamkeit blei- ben, weil ſonſt eine allgemeine Barbarei er- folgen wuͤrde, da wir uns auf andre verlaſ- ſen, und es blos einem Triumvirat von Schrift- ſtellern in einem ganzen Lande aufgeben, die lateiniſche Sprache zu erhalten: ſie ſoll in allen Sachen ihre Stimme haben, wo die Alten erklaͤrt, ausgelegt, und in ihren Schoͤn- heiten vorgezeigt werden: kurz! ſie ſoll das Werkzeug der Gelehrſamkeit bleiben, das ſeit ſo vielen Jahrhunderten dieſe Ehre gehabt, und mit dem ſo große Dinge ausgefuͤhret worden ſind. Aber G 2

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 3. Riga, 1767, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_litteratur03_1767/107>, abgerufen am 21.11.2024.