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Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 2. Riga, 1767.

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zen Nymphen und Gratien um ihren Ana-
kreon: Olympische Kränze fliegen um die
Scheitel der Sieger, und ihr Laub hüpfet
nach dem Dorischen Saitenspiel Pindars:
hier wetteifern Theokrits Schäfer, und
lauschend entkleidet die ganze Natur ihre
Schönheit: hier tanzen die Chöre des So-
phokles: hier das Odeum, die Gefilde der
Musen --

Odi profanum vulgus et arceo
Fauete linguis! Carmina non prius
Audita Musarum sacerdos
Virginibus puerisque cantat!

Ja sie sind der Nachahmung werth, die
Griechen mit ihrem feinen Poetischen Sinne:
sie, deren schönes Jdeal ein Abglanz der Na-
tur ist, wie die Sonne sich im klaren Bache
spiegelt; deren dichterischer Grundriß von
der Göttin Evnomia gezeichnet, und von
ihrer Tochter, der himmlischen Gratie, ausge-
malet worden: deren Bilder sich in den
Glanz der Morgenröthe hüllen: deren Mund
Melodie spricht, und deren stolzes Ohr Bil-
der siehet -- sie sind der Nachahmung
werth.

Aber

zen Nymphen und Gratien um ihren Ana-
kreon: Olympiſche Kraͤnze fliegen um die
Scheitel der Sieger, und ihr Laub huͤpfet
nach dem Doriſchen Saitenſpiel Pindars:
hier wetteifern Theokrits Schaͤfer, und
lauſchend entkleidet die ganze Natur ihre
Schoͤnheit: hier tanzen die Choͤre des So-
phokles: hier das Odeum, die Gefilde der
Muſen —

Odi profanum vulgus et arceo
Fauete linguis! Carmina non prius
Audita Muſarum ſacerdos
Virginibus puerisque cantat!

Ja ſie ſind der Nachahmung werth, die
Griechen mit ihrem feinen Poetiſchen Sinne:
ſie, deren ſchoͤnes Jdeal ein Abglanz der Na-
tur iſt, wie die Sonne ſich im klaren Bache
ſpiegelt; deren dichteriſcher Grundriß von
der Goͤttin Evnomia gezeichnet, und von
ihrer Tochter, der himmliſchen Gratie, ausge-
malet worden: deren Bilder ſich in den
Glanz der Morgenroͤthe huͤllen: deren Mund
Melodie ſpricht, und deren ſtolzes Ohr Bil-
der ſiehet — ſie ſind der Nachahmung
werth.

Aber
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[259/0091] zen Nymphen und Gratien um ihren Ana- kreon: Olympiſche Kraͤnze fliegen um die Scheitel der Sieger, und ihr Laub huͤpfet nach dem Doriſchen Saitenſpiel Pindars: hier wetteifern Theokrits Schaͤfer, und lauſchend entkleidet die ganze Natur ihre Schoͤnheit: hier tanzen die Choͤre des So- phokles: hier das Odeum, die Gefilde der Muſen — Odi profanum vulgus et arceo Fauete linguis! Carmina non prius Audita Muſarum ſacerdos Virginibus puerisque cantat! Ja ſie ſind der Nachahmung werth, die Griechen mit ihrem feinen Poetiſchen Sinne: ſie, deren ſchoͤnes Jdeal ein Abglanz der Na- tur iſt, wie die Sonne ſich im klaren Bache ſpiegelt; deren dichteriſcher Grundriß von der Goͤttin Evnomia gezeichnet, und von ihrer Tochter, der himmliſchen Gratie, ausge- malet worden: deren Bilder ſich in den Glanz der Morgenroͤthe huͤllen: deren Mund Melodie ſpricht, und deren ſtolzes Ohr Bil- der ſiehet — ſie ſind der Nachahmung werth. Aber

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 2. Riga, 1767, S. 259. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_litteratur02_1767/91>, abgerufen am 04.12.2024.