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Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 2. Riga, 1767.

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beinahe wahr, daß er so entstanden ist, als
sich nach der ältesten und neuesten Philosophie
das Lebendige gebiert, aus einer gährenden
Fettigkeit: es sei diese der Nilschlamm, oder
Chaldäens rothe Erde, das Chaos des Epi-
kurs, oder Needhams faulender Tropfen.

Das bleibt noch immer ein Plan fürs Den-
ken: "wie aus dem, der bisher blos empfand,
"ein Denker; und aus dem Genie ein Wei-
"ser wurde? wie weit jedes von diesen dem
"andern entgegen gesezt sey, und wie weit
"diese sich einander schwächenden Kräfte zu-
"sammen kommen müssen, um die Tempe-
"ratur des Virtuosen auszumachen? wie
"aus der Natur Kunst, aus der Kunst Kün-
"stelei, und aus dieser wieder Barbarey hat
"entstehen können?" Die allgemeinen Phi-
losophischen Beobachtungen hierüber würden
ein Märchen von Kritischen Troglodyten,
nach Art des Montesquieu hervorbringen,
und dies Märchen könnte man denn in Ge-
schichte verwandeln und aus Völkern und
Sprachen bestätigen.

Nun erscheint der eigentliche Kunstrich-
ter -- in welchem Gesichtspunkt? Gegen

Le-
N 3

beinahe wahr, daß er ſo entſtanden iſt, als
ſich nach der aͤlteſten und neueſten Philoſophie
das Lebendige gebiert, aus einer gaͤhrenden
Fettigkeit: es ſei dieſe der Nilſchlamm, oder
Chaldaͤens rothe Erde, das Chaos des Epi-
kurs, oder Needhams faulender Tropfen.

Das bleibt noch immer ein Plan fuͤrs Den-
ken: „wie aus dem, der bisher blos empfand,
„ein Denker; und aus dem Genie ein Wei-
„ſer wurde? wie weit jedes von dieſen dem
„andern entgegen geſezt ſey, und wie weit
„dieſe ſich einander ſchwaͤchenden Kraͤfte zu-
„ſammen kommen muͤſſen, um die Tempe-
„ratur des Virtuoſen auszumachen? wie
„aus der Natur Kunſt, aus der Kunſt Kuͤn-
„ſtelei, und aus dieſer wieder Barbarey hat
„entſtehen koͤnnen?„ Die allgemeinen Phi-
loſophiſchen Beobachtungen hieruͤber wuͤrden
ein Maͤrchen von Kritiſchen Troglodyten,
nach Art des Montesquieu hervorbringen,
und dies Maͤrchen koͤnnte man denn in Ge-
ſchichte verwandeln und aus Voͤlkern und
Sprachen beſtaͤtigen.

Nun erſcheint der eigentliche Kunſtrich-
ter — in welchem Geſichtspunkt? Gegen

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N 3
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[185/0017] beinahe wahr, daß er ſo entſtanden iſt, als ſich nach der aͤlteſten und neueſten Philoſophie das Lebendige gebiert, aus einer gaͤhrenden Fettigkeit: es ſei dieſe der Nilſchlamm, oder Chaldaͤens rothe Erde, das Chaos des Epi- kurs, oder Needhams faulender Tropfen. Das bleibt noch immer ein Plan fuͤrs Den- ken: „wie aus dem, der bisher blos empfand, „ein Denker; und aus dem Genie ein Wei- „ſer wurde? wie weit jedes von dieſen dem „andern entgegen geſezt ſey, und wie weit „dieſe ſich einander ſchwaͤchenden Kraͤfte zu- „ſammen kommen muͤſſen, um die Tempe- „ratur des Virtuoſen auszumachen? wie „aus der Natur Kunſt, aus der Kunſt Kuͤn- „ſtelei, und aus dieſer wieder Barbarey hat „entſtehen koͤnnen?„ Die allgemeinen Phi- loſophiſchen Beobachtungen hieruͤber wuͤrden ein Maͤrchen von Kritiſchen Troglodyten, nach Art des Montesquieu hervorbringen, und dies Maͤrchen koͤnnte man denn in Ge- ſchichte verwandeln und aus Voͤlkern und Sprachen beſtaͤtigen. Nun erſcheint der eigentliche Kunſtrich- ter — in welchem Geſichtspunkt? Gegen Le- N 3

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 2. Riga, 1767, S. 185. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_litteratur02_1767/17>, abgerufen am 24.11.2024.