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Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 2. Riga, 1767.

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"liegt Trinakrien auf ihnen" mit einem solchen
Worte verliert die ganze Dithyrambe. Pin-
dar
ist seiner Sache gewisser: er will darauf
vor allen Musen einen großen Eid thun. *

Ou philoneikos eon
out' on duseris tis agan
kai megan orkon omossas
toutoge oi sapheos martore-
so: meliphthoggoi d' epitrepsonti Moisai.

Und hat der Bacchante wirklich die edle
Begeisterung
gefühlt, die stets nach der
höchsten Blüte greift, doch ohne Verzerrung
des Arms. So wie sein Bacchus im Pa-
renthyrsus der Trunkenheit sich als den Lerm-
macher
zeigt: so ahmt sein Priester ihm nach,
und macht überall ein Geschrey, das die
Kälte erzeugt, die es verjagen soll.

Welche Trunkenheit!
Eleleu! welche Trunkenheit!

Jst dies je die Sprache des Gefühls, der
Trunkenheit, die sich nicht trunken fühlt!

Heiliger Schauer!
Schauer durchwühlet die Brust.
Wie sie schwillt!

Wer
* Pind. Od. 6. Olymp.

„liegt Trinakrien auf ihnen„ mit einem ſolchen
Worte verliert die ganze Dithyrambe. Pin-
dar
iſt ſeiner Sache gewiſſer: er will darauf
vor allen Muſen einen großen Eid thun. *

Ου φιλονεικος εων
ουτ’ ων δυσερις τις αγαν
και μεγαν ὁρκον ομοσσας
τουτογε οι σαφεως μαρτωρη-
σω: μελιφϑογγοι δ’ επιτρεψοντι Μοισαι.

Und hat der Bacchante wirklich die edle
Begeiſterung
gefuͤhlt, die ſtets nach der
hoͤchſten Bluͤte greift, doch ohne Verzerrung
des Arms. So wie ſein Bacchus im Pa-
renthyrſus der Trunkenheit ſich als den Lerm-
macher
zeigt: ſo ahmt ſein Prieſter ihm nach,
und macht uͤberall ein Geſchrey, das die
Kaͤlte erzeugt, die es verjagen ſoll.

Welche Trunkenheit!
Eleleu! welche Trunkenheit!

Jſt dies je die Sprache des Gefuͤhls, der
Trunkenheit, die ſich nicht trunken fuͤhlt!

Heiliger Schauer!
Schauer durchwuͤhlet die Bruſt.
Wie ſie ſchwillt!

Wer
* Pind. Od. 6. Olymp.
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[328/0160] „liegt Trinakrien auf ihnen„ mit einem ſolchen Worte verliert die ganze Dithyrambe. Pin- dar iſt ſeiner Sache gewiſſer: er will darauf vor allen Muſen einen großen Eid thun. * Ου φιλονεικος εων ουτ’ ων δυσερις τις αγαν και μεγαν ὁρκον ομοσσας τουτογε οι σαφεως μαρτωρη- σω: μελιφϑογγοι δ’ επιτρεψοντι Μοισαι. Und hat der Bacchante wirklich die edle Begeiſterung gefuͤhlt, die ſtets nach der hoͤchſten Bluͤte greift, doch ohne Verzerrung des Arms. So wie ſein Bacchus im Pa- renthyrſus der Trunkenheit ſich als den Lerm- macher zeigt: ſo ahmt ſein Prieſter ihm nach, und macht uͤberall ein Geſchrey, das die Kaͤlte erzeugt, die es verjagen ſoll. Welche Trunkenheit! Eleleu! welche Trunkenheit! Jſt dies je die Sprache des Gefuͤhls, der Trunkenheit, die ſich nicht trunken fuͤhlt! Heiliger Schauer! Schauer durchwuͤhlet die Bruſt. Wie ſie ſchwillt! Wer * Pind. Od. 6. Olymp.

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 2. Riga, 1767, S. 328. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_litteratur02_1767/160>, abgerufen am 25.11.2024.