sche Knabe * "der die Gränzen des Lebens "betritt, bei dem die Regung der Wollust, wie "eine zarte Spizze der Pflanze, zu keimen an- "fängt, der, wie zwischen Schlummer und "Wachen, in einen entzückenden Traum halb "versenkt, die Bilder desselben zu sammlen "und sich wahr zu machen anfängt, dessen "Züge voll Süßigkeit sind, dem aber die "fröliche Seele nicht ins Gesicht tritt -- --" Dieser schwindelt im Wagen: ihm glüht die Wange: er verschüttet den Becher: er lacht: er schlurft Tropfen! -- Ein besoffner Sa- tyr kann das seyn, nicht aber der Griechische Bacchus! Jch rathe der Mönade, ihm nicht zu folgen, damit es ihr nicht wie der Rhea gehe, die einen Kriegsknecht statt des Mars umarmte. -- Und daß das gute Mädchen ihn wirklich verkannt habe: sehen wir aus der Dithyrambe: die Himmelsstürmer! hier, hofften wir, hier wird im Streit Dionysius eine Hauptperson machen: wir werden ihn im ganzen Lichte sehen:
-- -- Dio-
* Winkelm. Gesch. der Kunst Th. 2.
ſche Knabe * „der die Graͤnzen des Lebens „betritt, bei dem die Regung der Wolluſt, wie „eine zarte Spizze der Pflanze, zu keimen an- „faͤngt, der, wie zwiſchen Schlummer und „Wachen, in einen entzuͤckenden Traum halb „verſenkt, die Bilder deſſelben zu ſammlen „und ſich wahr zu machen anfaͤngt, deſſen „Zuͤge voll Suͤßigkeit ſind, dem aber die „froͤliche Seele nicht ins Geſicht tritt — —„ Dieſer ſchwindelt im Wagen: ihm gluͤht die Wange: er verſchuͤttet den Becher: er lacht: er ſchlurft Tropfen! — Ein beſoffner Sa- tyr kann das ſeyn, nicht aber der Griechiſche Bacchus! Jch rathe der Moͤnade, ihm nicht zu folgen, damit es ihr nicht wie der Rhea gehe, die einen Kriegsknecht ſtatt des Mars umarmte. — Und daß das gute Maͤdchen ihn wirklich verkannt habe: ſehen wir aus der Dithyrambe: die Himmelsſtuͤrmer! hier, hofften wir, hier wird im Streit Dionyſius eine Hauptperſon machen: wir werden ihn im ganzen Lichte ſehen:
— — Διο-
* Winkelm. Geſch. der Kunſt Th. 2.
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ſche Knabe * „der die Graͤnzen des Lebens
„betritt, bei dem die Regung der Wolluſt, wie
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„faͤngt, der, wie zwiſchen Schlummer und
„Wachen, in einen entzuͤckenden Traum halb
„verſenkt, die Bilder deſſelben zu ſammlen
„und ſich wahr zu machen anfaͤngt, deſſen
„Zuͤge voll Suͤßigkeit ſind, dem aber die
„froͤliche Seele nicht ins Geſicht tritt — —„
Dieſer ſchwindelt im Wagen: ihm gluͤht die
Wange: er verſchuͤttet den Becher: er lacht:
er ſchlurft Tropfen! — Ein beſoffner Sa-
tyr kann das ſeyn, nicht aber der Griechiſche
Bacchus! Jch rathe der Moͤnade, ihm nicht
zu folgen, damit es ihr nicht wie der Rhea
gehe, die einen Kriegsknecht ſtatt des Mars
umarmte. — Und daß das gute Maͤdchen ihn
wirklich verkannt habe: ſehen wir aus der
Dithyrambe: die Himmelsſtuͤrmer! hier,
hofften wir, hier wird im Streit Dionyſius
eine Hauptperſon machen: wir werden ihn
im ganzen Lichte ſehen:
— — Διο-
* Winkelm. Geſch. der Kunſt Th. 2.
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Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 2. Riga, 1767, S. 322. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_litteratur02_1767/154>, abgerufen am 16.02.2025.
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