Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 2. Riga, 1767.bekämen? -- Kaum! Dithyramben, nach ben
bekaͤmen? — Kaum! Dithyramben, nach ben
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bekaͤmen? — Kaum! Dithyramben, nach
dem Griechiſchen Geſchmack nachgeahmt, blei-
ben fuͤr uns fremde. Das trunkne Sinn-
liche, was bei ihnen entzuͤckte, waͤre viel-
leicht fuͤr unſre feine und artige Welt ein Aer-
gerniß; das Raſende in ihnen waͤre uns al-
lerdings dunkel, verworren und oft unſinnig,
weil der Dithyrambiſt, der Weißager und
Unſinnige mit zuſammengeſchlungenen Haͤn-
den zu gehen ſcheinen, und ein Elektriſcher
Funke nach ihren verſchiednen Koͤrpern auch
unterſchiedne Wirkungen hervorbringt. Jhre
Ungebundenheit wuͤrde fuͤr unſere Gram-
matiſche, und Aeſthetiſche Geſezgeber Verbre-
chen wider die Regeln ſcheinen: die Einbil-
dungskraft wuͤrde der geſunden Vernunft und
dem Sens - commun unſres lieben Zeitalters
Eintrag thun — Vielleicht trug alles dies
dazu bei, daß die Dithyramben verloren gin-
gen; und gaͤbe es Dithyrambenſaͤnger zu
unſrer Zeit — wir wuͤrden ihnen einen Stier
geben, um ihre ϐοηλαταν zu bezahlen und
ſie reiſen zu laſſen. Weß aber ſollte der
Stier ſeyn, den wir ihm geben? — Des
Volks nicht, denn er ſchriebe ja Dithyram-
ben
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