zum Treffen und Siege reif, und Empörun- gen in der Brust anrichtete; die nachher ab- geschafft wurde, weil sie die Musik verdarb, die Plato aus seinem Staat und Aristoteles aus seiner Entziehung verbannte -- Kurz! die älteste und roheste Tonkunst.
Alles also, was zum Dithurambodes ge- hörte, Jnhalt und Form, und Sprache und Musik und Sylbenmans trägt Spuren des sinnlichen Zeitalters mit sich, wo alles dies, und dies allein bey dem rohen Volke seinen Zweck erreichte, und hier ist die Erklärung des Proklus: Dithurambos esti kekunnemenoi kai polu tou eousiodes mela khoreias em- phainan, eis pathe katas kuazomenos, ta malista oikeia to Theou.
So war der Dithyrambe, ehe er völlig Nachahmung wurde. Als aber die Griechen in ein gesittetes Zeitalter übergiengen; so ward ihre Religion über das Sinnliche mehr erho- ben: ihre Begeisterung sank: ihre mehr ge- bildete Sprache entfernte sich von Dithyram- bischen Freiheiten: ihr Sylbenmaas ward bestimmter und gebundener: ihre Musik Do-
risch.
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zum Treffen und Siege reif, und Empoͤrun- gen in der Bruſt anrichtete; die nachher ab- geſchafft wurde, weil ſie die Muſik verdarb, die Plato aus ſeinem Staat und Ariſtoteles aus ſeiner Entziehung verbannte — Kurz! die aͤlteſte und roheſte Tonkunſt.
Alles alſo, was zum Διϑυραμβωδες ge- hoͤrte, Jnhalt und Form, und Sprache und Muſik und Sylbenmans traͤgt Spuren des ſinnlichen Zeitalters mit ſich, wo alles dies, und dies allein bey dem rohen Volke ſeinen Zweck erreichte, und hier iſt die Erklaͤrung des Proklus: Διϑυραμβος εστι κεκυννημενοι και πολυ του εουσιωδες μελα χορειας εμ- φαιναν, εις παϑη κατας κυαζωμενος, τα μαλιστα οικεια τω Θεου.
So war der Dithyrambe, ehe er voͤllig Nachahmung wurde. Als aber die Griechen in ein geſittetes Zeitalter uͤbergiengen; ſo ward ihre Religion uͤber das Sinnliche mehr erho- ben: ihre Begeiſterung ſank: ihre mehr ge- bildete Sprache entfernte ſich von Dithyram- biſchen Freiheiten: ihr Sylbenmaas ward beſtimmter und gebundener: ihre Muſik Do-
riſch.
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zum Treffen und Siege reif, und Empoͤrun-
gen in der Bruſt anrichtete; die nachher ab-
geſchafft wurde, weil ſie die Muſik verdarb,
die Plato aus ſeinem Staat und Ariſtoteles
aus ſeiner Entziehung verbannte — Kurz!
die aͤlteſte und roheſte Tonkunſt.
Alles alſo, was zum Διϑυραμβωδες ge-
hoͤrte, Jnhalt und Form, und Sprache und
Muſik und Sylbenmans traͤgt Spuren des
ſinnlichen Zeitalters mit ſich, wo alles dies,
und dies allein bey dem rohen Volke ſeinen
Zweck erreichte, und hier iſt die Erklaͤrung
des Proklus: Διϑυραμβος εστι κεκυννημενοι
και πολυ του εουσιωδες μελα χορειας εμ-
φαιναν, εις παϑη κατας κυαζωμενος, τα
μαλιστα οικεια τω Θεου.
So war der Dithyrambe, ehe er voͤllig
Nachahmung wurde. Als aber die Griechen
in ein geſittetes Zeitalter uͤbergiengen; ſo ward
ihre Religion uͤber das Sinnliche mehr erho-
ben: ihre Begeiſterung ſank: ihre mehr ge-
bildete Sprache entfernte ſich von Dithyram-
biſchen Freiheiten: ihr Sylbenmaas ward
beſtimmter und gebundener: ihre Muſik Do-
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Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 2. Riga, 1767, S. 309. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_litteratur02_1767/141>, abgerufen am 15.08.2024.
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