Zum Voraus ein Wort in einer Pa- renthese. Jch glaube, wenige Beurtheilun- gen der Litteraturbriefe sind so schielend, und gebrechlich, als diese, * die einem Lehrmei- stertone sich nähert: die bei dem Geräusche arm, bei aller Pracht von Belesenheit und Kritischer Einsicht kurzsichtig, und bei allen Planen und Vorschlägen dürre seyn möchte. Die angebohrne Lebhaftigkeit des Recens. ver- spricht dem Dithyrambendichter scharf zuzu- sezzen, und zuckt jedesmal zurück, um sich in Präceptorpredigten zu verlieren. Was soll die Frage heissen: Kann man Deutsche Di- thyramben machen? Kann man nicht Deut- sche, so kann man auch keine Malabarische Dithyramben machen, was die Sprache be- trifft; und bei Dithyramben dörfte diese nur zulezt in Betracht kommen. Was darf es der Recens. mit so vieler Gelehrsamkeit be- weisen, daß wir keine Dithyramben übrig ha- ben? der Verfasser dörfte dieses ja aus dem lieben E. Schmid allenfalls wissen! Und womit beweiset es der Kunstrichter denn,
daß
* Litt. Br. Th. 21. p. 37.
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Zum Voraus ein Wort in einer Pa- rentheſe. Jch glaube, wenige Beurtheilun- gen der Litteraturbriefe ſind ſo ſchielend, und gebrechlich, als dieſe, * die einem Lehrmei- ſtertone ſich naͤhert: die bei dem Geraͤuſche arm, bei aller Pracht von Beleſenheit und Kritiſcher Einſicht kurzſichtig, und bei allen Planen und Vorſchlaͤgen duͤrre ſeyn moͤchte. Die angebohrne Lebhaftigkeit des Recenſ. ver- ſpricht dem Dithyrambendichter ſcharf zuzu- ſezzen, und zuckt jedesmal zuruͤck, um ſich in Praͤceptorpredigten zu verlieren. Was ſoll die Frage heiſſen: Kann man Deutſche Di- thyramben machen? Kann man nicht Deut- ſche, ſo kann man auch keine Malabariſche Dithyramben machen, was die Sprache be- trifft; und bei Dithyramben doͤrfte dieſe nur zulezt in Betracht kommen. Was darf es der Recenſ. mit ſo vieler Gelehrſamkeit be- weiſen, daß wir keine Dithyramben uͤbrig ha- ben? der Verfaſſer doͤrfte dieſes ja aus dem lieben E. Schmid allenfalls wiſſen! Und womit beweiſet es der Kunſtrichter denn,
daß
* Litt. Br. Th. 21. p. 37.
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Zum Voraus ein Wort in einer Pa-
rentheſe. Jch glaube, wenige Beurtheilun-
gen der Litteraturbriefe ſind ſo ſchielend, und
gebrechlich, als dieſe, * die einem Lehrmei-
ſtertone ſich naͤhert: die bei dem Geraͤuſche
arm, bei aller Pracht von Beleſenheit und
Kritiſcher Einſicht kurzſichtig, und bei allen
Planen und Vorſchlaͤgen duͤrre ſeyn moͤchte.
Die angebohrne Lebhaftigkeit des Recenſ. ver-
ſpricht dem Dithyrambendichter ſcharf zuzu-
ſezzen, und zuckt jedesmal zuruͤck, um ſich in
Praͤceptorpredigten zu verlieren. Was ſoll
die Frage heiſſen: Kann man Deutſche Di-
thyramben machen? Kann man nicht Deut-
ſche, ſo kann man auch keine Malabariſche
Dithyramben machen, was die Sprache be-
trifft; und bei Dithyramben doͤrfte dieſe nur
zulezt in Betracht kommen. Was darf es
der Recenſ. mit ſo vieler Gelehrſamkeit be-
weiſen, daß wir keine Dithyramben uͤbrig ha-
ben? der Verfaſſer doͤrfte dieſes ja aus dem
lieben E. Schmid allenfalls wiſſen! Und
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daß
* Litt. Br. Th. 21. p. 37.
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Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 2. Riga, 1767, S. 299. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_litteratur02_1767/131>, abgerufen am 16.02.2025.
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