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Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 2. Riga, 1767.

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Pragmatischen Anwendung auf unsre Zeit:
wie die Römer von den Griechen gelernt ha-
ben, und wie wir von ihnen lernen sollen. --
Ein Ocean von Betrachtungen, in den sich
blos ein Kenner der Alten, ein Weltweiser,
ein Geschmackvoller Kunstrichter, und ich
möchte beinahe sagen, selbst ein Dichter wa-
gen kann: ein Ocean, aus dem die meiste
unsrer Weisen nur Tropfen kosten; an dem
die meisten Dichter nur so trinken, als die
zum Siege bestimmte Streiter Gileads; und
die Kunstrichter? -- bringen dem Götzen
ihres Aeons mit demüthigem Stolze eine
Handvoll Wasser aus demselben dar, wie je-
ner Bettler dem Persischen Monarchen.

Ein Werk von dieser Art muß die Grie-
chen unter uns bekannter machen, die wir so
wenig kennen; es muß den Quell des guten
Geschmacks öfnen, und uns von elenden
Nachahmern der Griechen befreyen: den gan-
zen Knoten muß es entwickeln, wie weit ka-
men sie? und warum so weit? -- wie weit
sind wir ihnen nach? wie viel weiter können
und sollen wir? -- was werden wir nie er-
reichen? und warum nicht? --

Zufolge

Pragmatiſchen Anwendung auf unſre Zeit:
wie die Roͤmer von den Griechen gelernt ha-
ben, und wie wir von ihnen lernen ſollen. —
Ein Ocean von Betrachtungen, in den ſich
blos ein Kenner der Alten, ein Weltweiſer,
ein Geſchmackvoller Kunſtrichter, und ich
moͤchte beinahe ſagen, ſelbſt ein Dichter wa-
gen kann: ein Ocean, aus dem die meiſte
unſrer Weiſen nur Tropfen koſten; an dem
die meiſten Dichter nur ſo trinken, als die
zum Siege beſtimmte Streiter Gileads; und
die Kunſtrichter? — bringen dem Goͤtzen
ihres Aeons mit demuͤthigem Stolze eine
Handvoll Waſſer aus demſelben dar, wie je-
ner Bettler dem Perſiſchen Monarchen.

Ein Werk von dieſer Art muß die Grie-
chen unter uns bekannter machen, die wir ſo
wenig kennen; es muß den Quell des guten
Geſchmacks oͤfnen, und uns von elenden
Nachahmern der Griechen befreyen: den gan-
zen Knoten muß es entwickeln, wie weit ka-
men ſie? und warum ſo weit? — wie weit
ſind wir ihnen nach? wie viel weiter koͤnnen
und ſollen wir? — was werden wir nie er-
reichen? und warum nicht? —

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[275/0107] Pragmatiſchen Anwendung auf unſre Zeit: wie die Roͤmer von den Griechen gelernt ha- ben, und wie wir von ihnen lernen ſollen. — Ein Ocean von Betrachtungen, in den ſich blos ein Kenner der Alten, ein Weltweiſer, ein Geſchmackvoller Kunſtrichter, und ich moͤchte beinahe ſagen, ſelbſt ein Dichter wa- gen kann: ein Ocean, aus dem die meiſte unſrer Weiſen nur Tropfen koſten; an dem die meiſten Dichter nur ſo trinken, als die zum Siege beſtimmte Streiter Gileads; und die Kunſtrichter? — bringen dem Goͤtzen ihres Aeons mit demuͤthigem Stolze eine Handvoll Waſſer aus demſelben dar, wie je- ner Bettler dem Perſiſchen Monarchen. Ein Werk von dieſer Art muß die Grie- chen unter uns bekannter machen, die wir ſo wenig kennen; es muß den Quell des guten Geſchmacks oͤfnen, und uns von elenden Nachahmern der Griechen befreyen: den gan- zen Knoten muß es entwickeln, wie weit ka- men ſie? und warum ſo weit? — wie weit ſind wir ihnen nach? wie viel weiter koͤnnen und ſollen wir? — was werden wir nie er- reichen? und warum nicht? — Zufolge

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 2. Riga, 1767, S. 275. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_litteratur02_1767/107>, abgerufen am 04.12.2024.