Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 1. Riga, 1767.

Bild:
<< vorherige Seite

die Letten z. E. Jmmel und Eute (statt Him-
mel und Heute) aussprechen. -- Das H
ist überhaupt die Gränze zwischen Laut und
Mitlauter: es gibt, nach Gellius Bemer-
kung, dem Worte Haltung, und dem Schalle
Munterkeit: es nimmt dem Vokal etwas vom
Laute, und gibt dem Mitlauter etwas dazu:
es verhindert die gar zu große Oeffnung des
Mundes bei den Vokalen, und die Zerrung
bei den Consonanten: daher die Griechen,
die die Hauche (Spiritus) bei ihrer Sprache
so sehr brauchten, um insonderheit das Ypsi-
lon fortzustoßen; im Physischen Verstande
den Ausspruch des Horaz verdienen:

-- Grajis dedit ore rotundo
Musa loqui.

Und doch reicht die Griechische Sprache
hierinn nicht an die Morgenländischen, deren
Aspirationen, (z. E. bei den Hebräern das
[fremdsprachliches Material - 1 Zeichen fehlt], [fremdsprachliches Material - 1 Zeichen fehlt], [fremdsprachliches Material - 1 Zeichen fehlt] und [fremdsprachliches Material - 1 Zeichen fehlt]) kaum mehr zu bestimmen sind.
Die Römer, die ihre Sprache so Griechisch
als möglich machen wollten, nahmen daher
auch die Hauche auf, um ihre alte Mundart
zu mildern. Quintilian führt an, die Alten

hät-

die Letten z. E. Jmmel und Eute (ſtatt Him-
mel und Heute) ausſprechen. — Das H
iſt uͤberhaupt die Graͤnze zwiſchen Laut und
Mitlauter: es gibt, nach Gellius Bemer-
kung, dem Worte Haltung, und dem Schalle
Munterkeit: es nimmt dem Vokal etwas vom
Laute, und gibt dem Mitlauter etwas dazu:
es verhindert die gar zu große Oeffnung des
Mundes bei den Vokalen, und die Zerrung
bei den Conſonanten: daher die Griechen,
die die Hauche (Spiritus) bei ihrer Sprache
ſo ſehr brauchten, um inſonderheit das Ypſi-
lon fortzuſtoßen; im Phyſiſchen Verſtande
den Ausſpruch des Horaz verdienen:

Grajis dedit ore rotundo
Muſa loqui.

Und doch reicht die Griechiſche Sprache
hierinn nicht an die Morgenlaͤndiſchen, deren
Aſpirationen, (z. E. bei den Hebraͤern das
[fremdsprachliches Material – 1 Zeichen fehlt], [fremdsprachliches Material – 1 Zeichen fehlt], [fremdsprachliches Material – 1 Zeichen fehlt] und [fremdsprachliches Material – 1 Zeichen fehlt]) kaum mehr zu beſtimmen ſind.
Die Roͤmer, die ihre Sprache ſo Griechiſch
als moͤglich machen wollten, nahmen daher
auch die Hauche auf, um ihre alte Mundart
zu mildern. Quintilian fuͤhrt an, die Alten

haͤt-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0095" n="91"/>
die Letten z. E. Jmmel und Eute (&#x017F;tatt Him-<lb/>
mel und Heute) aus&#x017F;prechen. &#x2014; Das H<lb/>
i&#x017F;t u&#x0364;berhaupt die Gra&#x0364;nze zwi&#x017F;chen Laut und<lb/>
Mitlauter: es gibt, nach <hi rendition="#fr">Gellius</hi> Bemer-<lb/>
kung, dem Worte Haltung, und dem Schalle<lb/>
Munterkeit: es nimmt dem Vokal etwas vom<lb/>
Laute, und gibt dem Mitlauter etwas dazu:<lb/>
es verhindert die gar zu große Oeffnung des<lb/>
Mundes bei den Vokalen, und die Zerrung<lb/>
bei den Con&#x017F;onanten: daher die Griechen,<lb/>
die die Hauche (<hi rendition="#aq">Spiritus</hi>) bei ihrer Sprache<lb/>
&#x017F;o &#x017F;ehr brauchten, um in&#x017F;onderheit das Yp&#x017F;i-<lb/>
lon fortzu&#x017F;toßen; im Phy&#x017F;i&#x017F;chen Ver&#x017F;tande<lb/>
den Aus&#x017F;pruch des Horaz verdienen:</p><lb/>
          <cit>
            <quote>&#x2014; <hi rendition="#aq">Grajis dedit ore rotundo<lb/>
Mu&#x017F;a loqui.</hi></quote>
            <bibl/>
          </cit><lb/>
          <p>Und doch reicht die Griechi&#x017F;che Sprache<lb/>
hierinn nicht an die Morgenla&#x0364;ndi&#x017F;chen, deren<lb/>
A&#x017F;pirationen, (z. E. bei den Hebra&#x0364;ern das<lb/><gap reason="fm" unit="chars" quantity="1"/>, <gap reason="fm" unit="chars" quantity="1"/>, <gap reason="fm" unit="chars" quantity="1"/> und <gap reason="fm" unit="chars" quantity="1"/>) kaum mehr zu be&#x017F;timmen &#x017F;ind.<lb/>
Die Ro&#x0364;mer, die ihre Sprache &#x017F;o Griechi&#x017F;ch<lb/>
als mo&#x0364;glich machen wollten, nahmen daher<lb/>
auch die Hauche auf, um ihre alte Mundart<lb/>
zu mildern. Quintilian fu&#x0364;hrt an, die Alten<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ha&#x0364;t-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[91/0095] die Letten z. E. Jmmel und Eute (ſtatt Him- mel und Heute) ausſprechen. — Das H iſt uͤberhaupt die Graͤnze zwiſchen Laut und Mitlauter: es gibt, nach Gellius Bemer- kung, dem Worte Haltung, und dem Schalle Munterkeit: es nimmt dem Vokal etwas vom Laute, und gibt dem Mitlauter etwas dazu: es verhindert die gar zu große Oeffnung des Mundes bei den Vokalen, und die Zerrung bei den Conſonanten: daher die Griechen, die die Hauche (Spiritus) bei ihrer Sprache ſo ſehr brauchten, um inſonderheit das Ypſi- lon fortzuſtoßen; im Phyſiſchen Verſtande den Ausſpruch des Horaz verdienen: — Grajis dedit ore rotundo Muſa loqui. Und doch reicht die Griechiſche Sprache hierinn nicht an die Morgenlaͤndiſchen, deren Aſpirationen, (z. E. bei den Hebraͤern das _, _, _ und _) kaum mehr zu beſtimmen ſind. Die Roͤmer, die ihre Sprache ſo Griechiſch als moͤglich machen wollten, nahmen daher auch die Hauche auf, um ihre alte Mundart zu mildern. Quintilian fuͤhrt an, die Alten haͤt-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_litteratur01_1767
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_litteratur01_1767/95
Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 1. Riga, 1767, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_litteratur01_1767/95>, abgerufen am 23.11.2024.