Aber meine Anmerkung verirret sich zu weit davon ab: daß die Grammatik und das Ver- nünfteln über die Sprache, den Reichthum geschwächet hat. Der haushalterische Philo- soph fragte: warum sind so viel unnütze Knechte? sie stehen sich im Wege! und er hat sie abgeschaft; den übrigen aber ihr ge- naues Geschäfte angewiesen, um nicht müßig zu seyn. Jch will ohne Bilder reden! Da man die Begriffe mehr unter einander ordnen lernte: so druckte man das mit einer Bestim- mung (adiectiuum, participium, aduer- bium) aus, wozu man erst ein neues Wort sezzte. -- Noch blieben aber Synonymen! Aber der Philosoph suchte seine Unterschiede in sie zu legen, und sie also als neue, gültige Wörter zu gebrauchen. Zum Beweise führe ich im Deutschen Wolf und Baumgarten an. Durch die Deutschen Schriften des er- sten sind die Wörter, die unter dem Gebiet der Philosophie stehen, sehr an Synonymen vermindert, da er sie genau zu bestimmen ge- sucht. Und noch mehr Baumgarten: geht seine Metaphysik durch, und bemerkt, die un- ten angezogne Deutsche Wörter: die Philo-
sophie
Aber meine Anmerkung verirret ſich zu weit davon ab: daß die Grammatik und das Ver- nuͤnfteln uͤber die Sprache, den Reichthum geſchwaͤchet hat. Der haushalteriſche Philo- ſoph fragte: warum ſind ſo viel unnuͤtze Knechte? ſie ſtehen ſich im Wege! und er hat ſie abgeſchaft; den uͤbrigen aber ihr ge- naues Geſchaͤfte angewieſen, um nicht muͤßig zu ſeyn. Jch will ohne Bilder reden! Da man die Begriffe mehr unter einander ordnen lernte: ſo druckte man das mit einer Beſtim- mung (adiectiuum, participium, aduer- bium) aus, wozu man erſt ein neues Wort ſezzte. — Noch blieben aber Synonymen! Aber der Philoſoph ſuchte ſeine Unterſchiede in ſie zu legen, und ſie alſo als neue, guͤltige Woͤrter zu gebrauchen. Zum Beweiſe fuͤhre ich im Deutſchen Wolf und Baumgarten an. Durch die Deutſchen Schriften des er- ſten ſind die Woͤrter, die unter dem Gebiet der Philoſophie ſtehen, ſehr an Synonymen vermindert, da er ſie genau zu beſtimmen ge- ſucht. Und noch mehr Baumgarten: geht ſeine Metaphyſik durch, und bemerkt, die un- ten angezogne Deutſche Woͤrter: die Philo-
ſophie
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Aber meine Anmerkung verirret ſich zu weit
davon ab: daß die Grammatik und das Ver-
nuͤnfteln uͤber die Sprache, den Reichthum
geſchwaͤchet hat. Der haushalteriſche Philo-
ſoph fragte: warum ſind ſo viel unnuͤtze
Knechte? ſie ſtehen ſich im Wege! und er
hat ſie abgeſchaft; den uͤbrigen aber ihr ge-
naues Geſchaͤfte angewieſen, um nicht muͤßig
zu ſeyn. Jch will ohne Bilder reden! Da
man die Begriffe mehr unter einander ordnen
lernte: ſo druckte man das mit einer Beſtim-
mung (adiectiuum, participium, aduer-
bium) aus, wozu man erſt ein neues Wort
ſezzte. — Noch blieben aber Synonymen!
Aber der Philoſoph ſuchte ſeine Unterſchiede
in ſie zu legen, und ſie alſo als neue, guͤltige
Woͤrter zu gebrauchen. Zum Beweiſe fuͤhre
ich im Deutſchen Wolf und Baumgarten
an. Durch die Deutſchen Schriften des er-
ſten ſind die Woͤrter, die unter dem Gebiet
der Philoſophie ſtehen, ſehr an Synonymen
vermindert, da er ſie genau zu beſtimmen ge-
ſucht. Und noch mehr Baumgarten: geht
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ten angezogne Deutſche Woͤrter: die Philo-
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Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 1. Riga, 1767, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_litteratur01_1767/63>, abgerufen am 16.02.2025.
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