erwarten, und ihr Correspondent wird doch gewiß mit andern Journälen haben buh- len müssen, um die Merkwürdigkeiten alle zu erfahren. -- Jhre Philosophie ist nach dem Ausspruche Cicerons: "Philoso- phire! aber mit wenigem" und diese Mäs- sigung hat sie, als Leitband, vor dem Sin- ken bewahrt. Jn dessen fällt es mir ein, daß einst in Athen zween Künstler stritten; jener betrog die Vögel, und dieser gar seinen Miteiferer, der nach dem Vorhange grif, und blos ein Gemälde ertappete. Wenn die Litteraturbriefe in ihren Urtheilen oft einfältige Leser bei dem Naschen zum be- sten haben, so geht dies noch hin; wenn aber der Ordensbruder, der Philosoph selbst, nach ihren allgemeinen Anmerkun- gen greift und sie verschwinden; so ists beinahe wider die Zunftgesezze.
Beide Werke, die ich ohngeachtet ihrer Verschiedenheit vergleiche, haben sich in- dessen alle beide um den deutschen Ge- schmack sehr verdient gemacht, und werden merkwürdig seyn, wenn gleich die Nach-
rich-
B
erwarten, und ihr Correſpondent wird doch gewiß mit andern Journaͤlen haben buh- len muͤſſen, um die Merkwuͤrdigkeiten alle zu erfahren. — Jhre Philoſophie iſt nach dem Ausſpruche Cicerons: „Philoſo- phire! aber mit wenigem„ und dieſe Maͤſ- ſigung hat ſie, als Leitband, vor dem Sin- ken bewahrt. Jn deſſen faͤllt es mir ein, daß einſt in Athen zween Kuͤnſtler ſtritten; jener betrog die Voͤgel, und dieſer gar ſeinen Miteiferer, der nach dem Vorhange grif, und blos ein Gemaͤlde ertappete. Wenn die Litteraturbriefe in ihren Urtheilen oft einfaͤltige Leſer bei dem Naſchen zum be- ſten haben, ſo geht dies noch hin; wenn aber der Ordensbruder, der Philoſoph ſelbſt, nach ihren allgemeinen Anmerkun- gen greift und ſie verſchwinden; ſo iſts beinahe wider die Zunftgeſezze.
Beide Werke, die ich ohngeachtet ihrer Verſchiedenheit vergleiche, haben ſich in- deſſen alle beide um den deutſchen Ge- ſchmack ſehr verdient gemacht, und werden merkwuͤrdig ſeyn, wenn gleich die Nach-
rich-
B
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0021"n="17"/>
erwarten, und ihr Correſpondent wird doch<lb/>
gewiß mit andern Journaͤlen haben buh-<lb/>
len muͤſſen, um die Merkwuͤrdigkeiten alle<lb/>
zu erfahren. — Jhre Philoſophie iſt<lb/>
nach dem Ausſpruche Cicerons: „Philoſo-<lb/>
phire! aber mit wenigem„ und dieſe Maͤſ-<lb/>ſigung hat ſie, als Leitband, vor dem Sin-<lb/>
ken bewahrt. Jn deſſen faͤllt es mir ein,<lb/>
daß einſt in Athen zween Kuͤnſtler ſtritten;<lb/>
jener betrog die Voͤgel, und dieſer gar ſeinen<lb/>
Miteiferer, der nach dem Vorhange grif,<lb/>
und blos ein Gemaͤlde ertappete. Wenn<lb/>
die Litteraturbriefe in ihren <hirendition="#fr">Urtheilen</hi> oft<lb/>
einfaͤltige Leſer bei dem Naſchen zum be-<lb/>ſten haben, ſo geht dies noch hin; wenn<lb/>
aber der Ordensbruder, der Philoſoph<lb/>ſelbſt, nach ihren allgemeinen Anmerkun-<lb/>
gen greift und ſie verſchwinden; ſo iſts<lb/>
beinahe wider die Zunftgeſezze.</p><lb/><p>Beide Werke, die ich ohngeachtet ihrer<lb/>
Verſchiedenheit vergleiche, haben ſich in-<lb/>
deſſen alle beide um den deutſchen Ge-<lb/>ſchmack ſehr verdient gemacht, und werden<lb/>
merkwuͤrdig ſeyn, wenn gleich die Nach-<lb/><fwplace="bottom"type="sig">B</fw><fwplace="bottom"type="catch">rich-</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[17/0021]
erwarten, und ihr Correſpondent wird doch
gewiß mit andern Journaͤlen haben buh-
len muͤſſen, um die Merkwuͤrdigkeiten alle
zu erfahren. — Jhre Philoſophie iſt
nach dem Ausſpruche Cicerons: „Philoſo-
phire! aber mit wenigem„ und dieſe Maͤſ-
ſigung hat ſie, als Leitband, vor dem Sin-
ken bewahrt. Jn deſſen faͤllt es mir ein,
daß einſt in Athen zween Kuͤnſtler ſtritten;
jener betrog die Voͤgel, und dieſer gar ſeinen
Miteiferer, der nach dem Vorhange grif,
und blos ein Gemaͤlde ertappete. Wenn
die Litteraturbriefe in ihren Urtheilen oft
einfaͤltige Leſer bei dem Naſchen zum be-
ſten haben, ſo geht dies noch hin; wenn
aber der Ordensbruder, der Philoſoph
ſelbſt, nach ihren allgemeinen Anmerkun-
gen greift und ſie verſchwinden; ſo iſts
beinahe wider die Zunftgeſezze.
Beide Werke, die ich ohngeachtet ihrer
Verſchiedenheit vergleiche, haben ſich in-
deſſen alle beide um den deutſchen Ge-
ſchmack ſehr verdient gemacht, und werden
merkwuͤrdig ſeyn, wenn gleich die Nach-
rich-
B
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 1. Riga, 1767, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_litteratur01_1767/21>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.