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Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 1. Riga, 1767.

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Vikar u. s. w. nenne. -- Es ist übrigens
zu beklagen, daß man einige der besten Deut-
schen Poeten, nicht sonderlich im Prosaischen
Stil loben will; wie ich dies bei dreien in-
sonderheit bemerkt zu haben glaube, denen es
nicht gleich gut gelingt, Briefe und Lieder,
Fabeln und Abhandlungen zu schreiben.

9. Darf ich unsre Schriftsteller mit ei-
nem Autor beschließen, der nach dem ersten
Urtheil der Litteraturbriefe mit Winkel-
mann
eine Aehnlichkeit hatte, und nach dem
lezten Richterspruche sein Antipode gewor-
den: der erst ein Heiligthum unsrer Zeit
(anathema) war, und nachher zum Zeichen
des Schreckens (anathema) wurde: es ist
der Verfasser der Sokratischen Denkwür-
digkeiten:
* wer ihn nicht als Gestirn be-
trachten will in unserer Litteratur: sehe ihn
als Meteor an; ein Phönomenon bleibt er
doch immerfort.

Der Kern seiner Schriften enthält viele
Samenkörner von großen Wahrheiten, neuen
Beobachtungen und einer merkwürdigen Be-

lesen-
* Th. 6. und 1[9].

Vikar u. ſ. w. nenne. — Es iſt uͤbrigens
zu beklagen, daß man einige der beſten Deut-
ſchen Poeten, nicht ſonderlich im Proſaiſchen
Stil loben will; wie ich dies bei dreien in-
ſonderheit bemerkt zu haben glaube, denen es
nicht gleich gut gelingt, Briefe und Lieder,
Fabeln und Abhandlungen zu ſchreiben.

9. Darf ich unſre Schriftſteller mit ei-
nem Autor beſchließen, der nach dem erſten
Urtheil der Litteraturbriefe mit Winkel-
mann
eine Aehnlichkeit hatte, und nach dem
lezten Richterſpruche ſein Antipode gewor-
den: der erſt ein Heiligthum unſrer Zeit
(αναϑημα) war, und nachher zum Zeichen
des Schreckens (αναϑεμα) wurde: es iſt
der Verfaſſer der Sokratiſchen Denkwuͤr-
digkeiten:
* wer ihn nicht als Geſtirn be-
trachten will in unſerer Litteratur: ſehe ihn
als Meteor an; ein Phoͤnomenon bleibt er
doch immerfort.

Der Kern ſeiner Schriften enthaͤlt viele
Samenkoͤrner von großen Wahrheiten, neuen
Beobachtungen und einer merkwuͤrdigen Be-

leſen-
* Th. 6. und 1[9].
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[158/0162] Vikar u. ſ. w. nenne. — Es iſt uͤbrigens zu beklagen, daß man einige der beſten Deut- ſchen Poeten, nicht ſonderlich im Proſaiſchen Stil loben will; wie ich dies bei dreien in- ſonderheit bemerkt zu haben glaube, denen es nicht gleich gut gelingt, Briefe und Lieder, Fabeln und Abhandlungen zu ſchreiben. 9. Darf ich unſre Schriftſteller mit ei- nem Autor beſchließen, der nach dem erſten Urtheil der Litteraturbriefe mit Winkel- mann eine Aehnlichkeit hatte, und nach dem lezten Richterſpruche ſein Antipode gewor- den: der erſt ein Heiligthum unſrer Zeit (αναϑημα) war, und nachher zum Zeichen des Schreckens (αναϑεμα) wurde: es iſt der Verfaſſer der Sokratiſchen Denkwuͤr- digkeiten: * wer ihn nicht als Geſtirn be- trachten will in unſerer Litteratur: ſehe ihn als Meteor an; ein Phoͤnomenon bleibt er doch immerfort. Der Kern ſeiner Schriften enthaͤlt viele Samenkoͤrner von großen Wahrheiten, neuen Beobachtungen und einer merkwuͤrdigen Be- leſen- * Th. 6. und 19.

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 1. Riga, 1767, S. 158. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_litteratur01_1767/162>, abgerufen am 22.11.2024.