wohlriechende, oder heilige, oder neue und ra- re Kräuter zum Verkauf trägt; er wird mehr, aber doch nicht auf Kosten der Deutlichkeit.
Man sagt auch, daß eine gewisse Deutsche Bescheidenheit, die kurz seyn, die nicht belei- digen, die durch Mienen, nicht Worte spre- chen will, Schuld an mancher Dunkelheit seyn soll; und hier ists also nöthig, den Schriftsteller aus dieser Verlegenheit zu zie- hen: und unsere Staatsverfassung in der Lit- teratur so unabhängig und republikanisch zu machen, als möglich. Bei den Alten war die Wahrheit, nach Cupers * Briefen, oh- ne äussere Verehrung, aber das Haupt und der Mund der Weisen war ihr heilig: bei uns hat sie Tempel und Altäre gnug; jeder Kunstrichter räuchert ihr, aber als einer Alle- gorischen Person. Gute Göttin! die du die Schuzgöttin Deutschlandes seyn solltest:
Si qua Dea es, tua me in sacraria dono!
Wir wollen die Französische Munterkeit, und Freiheit in unsere Abhandlungen einfüh-
ren,
* Litter. Br. Th. 4. p. 362.
wohlriechende, oder heilige, oder neue und ra- re Kraͤuter zum Verkauf traͤgt; er wird mehr, aber doch nicht auf Koſten der Deutlichkeit.
Man ſagt auch, daß eine gewiſſe Deutſche Beſcheidenheit, die kurz ſeyn, die nicht belei- digen, die durch Mienen, nicht Worte ſpre- chen will, Schuld an mancher Dunkelheit ſeyn ſoll; und hier iſts alſo noͤthig, den Schriftſteller aus dieſer Verlegenheit zu zie- hen: und unſere Staatsverfaſſung in der Lit- teratur ſo unabhaͤngig und republikaniſch zu machen, als moͤglich. Bei den Alten war die Wahrheit, nach Cupers * Briefen, oh- ne aͤuſſere Verehrung, aber das Haupt und der Mund der Weiſen war ihr heilig: bei uns hat ſie Tempel und Altaͤre gnug; jeder Kunſtrichter raͤuchert ihr, aber als einer Alle- goriſchen Perſon. Gute Goͤttin! die du die Schuzgoͤttin Deutſchlandes ſeyn ſollteſt:
Si qua Dea es, tua me in ſacraria dono!
Wir wollen die Franzoͤſiſche Munterkeit, und Freiheit in unſere Abhandlungen einfuͤh-
ren,
* Litter. Br. Th. 4. p. 362.
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wohlriechende, oder heilige, oder neue und ra-
re Kraͤuter zum Verkauf traͤgt; er wird mehr,
aber doch nicht auf Koſten der Deutlichkeit.
Man ſagt auch, daß eine gewiſſe Deutſche
Beſcheidenheit, die kurz ſeyn, die nicht belei-
digen, die durch Mienen, nicht Worte ſpre-
chen will, Schuld an mancher Dunkelheit
ſeyn ſoll; und hier iſts alſo noͤthig, den
Schriftſteller aus dieſer Verlegenheit zu zie-
hen: und unſere Staatsverfaſſung in der Lit-
teratur ſo unabhaͤngig und republikaniſch zu
machen, als moͤglich. Bei den Alten war
die Wahrheit, nach Cupers * Briefen, oh-
ne aͤuſſere Verehrung, aber das Haupt und
der Mund der Weiſen war ihr heilig: bei
uns hat ſie Tempel und Altaͤre gnug; jeder
Kunſtrichter raͤuchert ihr, aber als einer Alle-
goriſchen Perſon. Gute Goͤttin! die du die
Schuzgoͤttin Deutſchlandes ſeyn ſollteſt:
Si qua Dea es, tua me in ſacraria dono!
Wir wollen die Franzoͤſiſche Munterkeit,
und Freiheit in unſere Abhandlungen einfuͤh-
ren,
* Litter. Br. Th. 4. p. 362.
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Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 1. Riga, 1767, S. 139. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_litteratur01_1767/143>, abgerufen am 16.02.2025.
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