ne hinkende Deutsche Alcäische Ode; dekla- mire sie gut: verbirg ihre Fehler: laß die Schönheiten des lebendigen Wohlklanges hö- ren; -- es ist nicht mehr Alcäische Ode, es ist eine Sprache, in diese Verse zerstückt. Höre einen Redner in seinem Feuer. brausen, oder zerschmelzen; du wirst einige Fußsta- pfen dieser Abschnitte in seiner Deklamation hören; höre einen Garrick in einem Selbst- gespräche mit sich selbst kämpfen, fast unter- liegen und dennoch siegen; sein Affekt wird die Sprache auflösen: er wird einen Takt halten, der dich an das Kunststück der Al- ten erinnern wird, ihren Akteurs Noten und Ton mitzugeben. --
Wie wäre es nun? wenn dies Sylben- maas in den Oden die Griechischen Verse, und in der Affektsprache die Poetische Prose etwas einschränkte? Wenn ein Dithyramben- dichter, ein Pindar, ein Barde unter uns in diesem Feierkleide sich sehen ließe? Wenn ein Deutscher Shakespear -- oder wenig- stens, wenn man den Englischen Shakespear in dieser Tracht bei uns einführte; den wir jezt, ohngeachtet der Uebersezzung, noch so we-
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ne hinkende Deutſche Alcaͤiſche Ode; dekla- mire ſie gut: verbirg ihre Fehler: laß die Schoͤnheiten des lebendigen Wohlklanges hoͤ- ren; — es iſt nicht mehr Alcaͤiſche Ode, es iſt eine Sprache, in dieſe Verſe zerſtuͤckt. Hoͤre einen Redner in ſeinem Feuer. brauſen, oder zerſchmelzen; du wirſt einige Fußſta- pfen dieſer Abſchnitte in ſeiner Deklamation hoͤren; hoͤre einen Garrick in einem Selbſt- geſpraͤche mit ſich ſelbſt kaͤmpfen, faſt unter- liegen und dennoch ſiegen; ſein Affekt wird die Sprache aufloͤſen: er wird einen Takt halten, der dich an das Kunſtſtuͤck der Al- ten erinnern wird, ihren Akteurs Noten und Ton mitzugeben. —
Wie waͤre es nun? wenn dies Sylben- maas in den Oden die Griechiſchen Verſe, und in der Affektſprache die Poetiſche Proſe etwas einſchraͤnkte? Wenn ein Dithyramben- dichter, ein Pindar, ein Barde unter uns in dieſem Feierkleide ſich ſehen ließe? Wenn ein Deutſcher Shakeſpear — oder wenig- ſtens, wenn man den Engliſchen Shakeſpear in dieſer Tracht bei uns einfuͤhrte; den wir jezt, ohngeachtet der Ueberſezzung, noch ſo we-
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ne hinkende Deutſche Alcaͤiſche Ode; dekla-
mire ſie gut: verbirg ihre Fehler: laß die
Schoͤnheiten des lebendigen Wohlklanges hoͤ-
ren; — es iſt nicht mehr Alcaͤiſche Ode, es
iſt eine Sprache, in dieſe Verſe zerſtuͤckt.
Hoͤre einen Redner in ſeinem Feuer. brauſen,
oder zerſchmelzen; du wirſt einige Fußſta-
pfen dieſer Abſchnitte in ſeiner Deklamation
hoͤren; hoͤre einen Garrick in einem Selbſt-
geſpraͤche mit ſich ſelbſt kaͤmpfen, faſt unter-
liegen und dennoch ſiegen; ſein Affekt wird
die Sprache aufloͤſen: er wird einen Takt
halten, der dich an das Kunſtſtuͤck der Al-
ten erinnern wird, ihren Akteurs Noten und
Ton mitzugeben. —
Wie waͤre es nun? wenn dies Sylben-
maas in den Oden die Griechiſchen Verſe,
und in der Affektſprache die Poetiſche Proſe
etwas einſchraͤnkte? Wenn ein Dithyramben-
dichter, ein Pindar, ein Barde unter uns
in dieſem Feierkleide ſich ſehen ließe? Wenn
ein Deutſcher Shakeſpear — oder wenig-
ſtens, wenn man den Engliſchen Shakeſpear
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Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 1. Riga, 1767, S. 131. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_litteratur01_1767/135>, abgerufen am 16.02.2025.
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