Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 1. Riga, 1767.Zweitens: Die hohen Oden des Affekts Drittens: Die Gemälde der Einbil- Ode
Zweitens: Die hohen Oden des Affekts Drittens: Die Gemaͤlde der Einbil- Ode
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Zweitens: Die hohen Oden des Affekts
werden natuͤrlich ihre Empfindungen aufloͤſen,
ſie moͤgen in kurzem Odem jauchzen, oder
donnern, oder ſeufzen und weinen. Dies
Sylbenmaaß kann, nach jener Scythiſchen
Zeichenſprache zu reden, wie ein Pfeil treffen,
ſich wie ein Adler aufſchwingen, es kann die
Sprache durchgraben, und ſich wieder, ohne
zu ſinken, ſchwimmend erhalten. Wenn
man manche Deutſche Lehroden in ihrem
gewoͤhnlichen Sylbenmaaße anſieht, ſo ſollte
man beinahe denken, daß das gewoͤhnliche
Strophenmaaß der Graͤnzſtein eines Para-
graphen ſeyn ſollte. Das geht denn nun ſo
hin, aber ſollen dieſe Oden Affekt ſingen —
ein Geſang nach einer Kirchenmelodie.
Drittens: Die Gemaͤlde der Einbil-
dungskraft koͤnnen ein gefeſſeltes Sylben-
maaß nicht ertragen, ohne daß ſie, oder
das Sylbenmaaß leidet. Bei Pindar und
Horaz laͤuft die Periode und das Gleich-
niß uͤber die Strophe; bei den meiſten Deut-
ſchen Dichtern ſind ſie zahm genug. ſich in
die Strophe einzuſchließen. Eine Karſchin,
die jetzt nichts weniger, als den Perioden der
Ode
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