einsylbige Wörter wirklich zu unbestimmt, und Prosaisch.
15.
Doch gnug von diesen grammatischen Schwü- rigkeiten, die einem Genie immer verdrießlich seyn müssen: um vielleicht einige solche ver- drießliche Genies zu versöhnen, sezze ich fol- gende Anmerkung dazu, von der ich wünsche, angewandt zu werden.
Das Klopstockische angeführte Sylben- maas soll dazu Gelegenheit geben. Bei dem ersten Anblick sogleich schien es mir sehr ähn- lich zu seyn mit dem Numerus der Hebräer, so viel wir von ihm wissen, und mit dem Syl- benmaas der Barden. Jch sahe, daß es Klopstock, einem Meister in der Deutschen Sprache, oft sehr wohl, und seinen Nachah- mern meistens elend gelungen. Jch wuste nicht, ob diese neue glückliche Versart nicht eher die natürlichste und ursprünglichste Poesie * genannt werden könnte, "in alle
"klei-
* Litt. Br. Th. 3. p. 103.
einſylbige Woͤrter wirklich zu unbeſtimmt, und Proſaiſch.
15.
Doch gnug von dieſen grammatiſchen Schwuͤ- rigkeiten, die einem Genie immer verdrießlich ſeyn muͤſſen: um vielleicht einige ſolche ver- drießliche Genies zu verſoͤhnen, ſezze ich fol- gende Anmerkung dazu, von der ich wuͤnſche, angewandt zu werden.
Das Klopſtockiſche angefuͤhrte Sylben- maas ſoll dazu Gelegenheit geben. Bei dem erſten Anblick ſogleich ſchien es mir ſehr aͤhn- lich zu ſeyn mit dem Numerus der Hebraͤer, ſo viel wir von ihm wiſſen, und mit dem Syl- benmaas der Barden. Jch ſahe, daß es Klopſtock, einem Meiſter in der Deutſchen Sprache, oft ſehr wohl, und ſeinen Nachah- mern meiſtens elend gelungen. Jch wuſte nicht, ob dieſe neue gluͤckliche Versart nicht eher die natuͤrlichſte und urſpruͤnglichſte Poeſie * genannt werden koͤnnte, „in alle
„klei-
* Litt. Br. Th. 3. p. 103.
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einſylbige Woͤrter wirklich zu unbeſtimmt,
und Proſaiſch.
15.
Doch gnug von dieſen grammatiſchen Schwuͤ-
rigkeiten, die einem Genie immer verdrießlich
ſeyn muͤſſen: um vielleicht einige ſolche ver-
drießliche Genies zu verſoͤhnen, ſezze ich fol-
gende Anmerkung dazu, von der ich wuͤnſche,
angewandt zu werden.
Das Klopſtockiſche angefuͤhrte Sylben-
maas ſoll dazu Gelegenheit geben. Bei dem
erſten Anblick ſogleich ſchien es mir ſehr aͤhn-
lich zu ſeyn mit dem Numerus der Hebraͤer,
ſo viel wir von ihm wiſſen, und mit dem Syl-
benmaas der Barden. Jch ſahe, daß es
Klopſtock, einem Meiſter in der Deutſchen
Sprache, oft ſehr wohl, und ſeinen Nachah-
mern meiſtens elend gelungen. Jch wuſte
nicht, ob dieſe neue gluͤckliche Versart nicht
eher die natuͤrlichſte und urſpruͤnglichſte
Poeſie * genannt werden koͤnnte, „in alle
„klei-
* Litt. Br. Th. 3. p. 103.
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Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 1. Riga, 1767, S. 126. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_litteratur01_1767/130>, abgerufen am 23.02.2025.
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