Hier ist der Titel seiner neuen Ausgabe: Oests Versuch einer Kritischen Prosodie: oder Anmerkungen und Regeln über das Syl- benmaas der Alten, vornehmlich Griechen und Lateiner, nebst einer Beurtheilung des neuern Deutschen Hexameters und der ver- mischten feineren Sylbengrößen bei einigen unserer jüngern Dichter: 1765. Der Ver- fasser hat eine größere Kenntniß der Deut- schen Sprache, als alle Beurtheiler der Syl- benmaaße vor ihm; ein genaues Gefühl der Rhythmik der Alten; eine große Belesenheit und eine Geduld, die nicht jedermanns Ding ist. Allein bei allem diesen ist seine Kritische Prosodie wüste; Finsterniß auf der Tiefe, und Winde, die das Gewässer bewegen. Eine dunkle affektirte Schreibart, in der die Jdeen selbst nicht im gehörigen Licht erscheinen. Weitläuftigkeiten, wo Kürze zugereicht hätte: Unordnung in den Stücken, und Stücke, die kein Ganzes ausmachen. Vielleicht wäre es also besser gewesen, wenn der Herr Pfarrer: Johann Peter Müller seines Herrn Ober- inspectors Anmerkungen nicht blos herausge-
geben,
Hier iſt der Titel ſeiner neuen Ausgabe: Oeſts Verſuch einer Kritiſchen Proſodie: oder Anmerkungen und Regeln uͤber das Syl- benmaas der Alten, vornehmlich Griechen und Lateiner, nebſt einer Beurtheilung des neuern Deutſchen Hexameters und der ver- miſchten feineren Sylbengroͤßen bei einigen unſerer juͤngern Dichter: 1765. Der Ver- faſſer hat eine groͤßere Kenntniß der Deut- ſchen Sprache, als alle Beurtheiler der Syl- benmaaße vor ihm; ein genaues Gefuͤhl der Rhythmik der Alten; eine große Beleſenheit und eine Geduld, die nicht jedermanns Ding iſt. Allein bei allem dieſen iſt ſeine Kritiſche Proſodie wuͤſte; Finſterniß auf der Tiefe, und Winde, die das Gewaͤſſer bewegen. Eine dunkle affektirte Schreibart, in der die Jdeen ſelbſt nicht im gehoͤrigen Licht erſcheinen. Weitlaͤuftigkeiten, wo Kuͤrze zugereicht haͤtte: Unordnung in den Stuͤcken, und Stuͤcke, die kein Ganzes ausmachen. Vielleicht waͤre es alſo beſſer geweſen, wenn der Herr Pfarrer: Johann Peter Muͤller ſeines Herrn Ober- inſpectors Anmerkungen nicht blos herausge-
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Hier iſt der Titel ſeiner neuen Ausgabe:
Oeſts Verſuch einer Kritiſchen Proſodie:
oder Anmerkungen und Regeln uͤber das Syl-
benmaas der Alten, vornehmlich Griechen
und Lateiner, nebſt einer Beurtheilung des
neuern Deutſchen Hexameters und der ver-
miſchten feineren Sylbengroͤßen bei einigen
unſerer juͤngern Dichter: 1765. Der Ver-
faſſer hat eine groͤßere Kenntniß der Deut-
ſchen Sprache, als alle Beurtheiler der Syl-
benmaaße vor ihm; ein genaues Gefuͤhl der
Rhythmik der Alten; eine große Beleſenheit
und eine Geduld, die nicht jedermanns Ding
iſt. Allein bei allem dieſen iſt ſeine Kritiſche
Proſodie wuͤſte; Finſterniß auf der Tiefe,
und Winde, die das Gewaͤſſer bewegen. Eine
dunkle affektirte Schreibart, in der die Jdeen
ſelbſt nicht im gehoͤrigen Licht erſcheinen.
Weitlaͤuftigkeiten, wo Kuͤrze zugereicht haͤtte:
Unordnung in den Stuͤcken, und Stuͤcke, die
kein Ganzes ausmachen. Vielleicht waͤre es
alſo beſſer geweſen, wenn der Herr Pfarrer:
Johann Peter Muͤller ſeines Herrn Ober-
inſpectors Anmerkungen nicht blos herausge-
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Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 1. Riga, 1767, S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_litteratur01_1767/118>, abgerufen am 16.02.2025.
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