Herder, Johann Gottfried von: Kritische Wälder. Bd. 3. Riga, 1769.Drittes Wäldchen. eine Bildersprache so patronymisch nicht. Dortkonnte alles auf einem Wege fortgehen: der Dichter hatte durch seine poetische Bildersprache das Volk gebildet: der Weise, der nach ihm kam, trat, so viel er konnte, in seine Fußstapfen: er bediente sich des Bilderschatzes, den jener in die Sprache gelegt, nach seinen Zwecken: er bil- dete die Allegorien des erstern zu Wesen seiner Art um: er wurde ein Plato gegen einen Homer. An seiner Hand gieng der dritte Mann, der Künstler, und erhob jene Bildersprache der Dichter und Wei- sen zum schönsten Anschauen. Die Götter, die der Dichter dem Volke sang, und der Weise er- klärte, schuf der Künstler ihm vor: die Jdeen, die es in alten geerbten und früherlernten Gesängen auf der Zunge, und aus dem Munde des Weisen gleichsam im Ohre hatte, standen ihm in den Werken des Künstlers vor Augen -- durch alles ward also ein poetisches, ein allegorisches Pu- blikum gebildet, das die Bildersprache verstand, fühlte, beurtheilte, fortpflanzte. Die Allegorie hatte tiefe Wurzeln, in allem was National heißt, geschlagen, in Sprachen, Gedichten, Philoso- phien, Kunstwerken: sie gehörte zur Cultur des Volks, sie ward Denkart des Publikum. Unser Publikum ist aus diesem Gleise der Cul- graphie
Drittes Waͤldchen. eine Bilderſprache ſo patronymiſch nicht. Dortkonnte alles auf einem Wege fortgehen: der Dichter hatte durch ſeine poetiſche Bilderſprache das Volk gebildet: der Weiſe, der nach ihm kam, trat, ſo viel er konnte, in ſeine Fußſtapfen: er bediente ſich des Bilderſchatzes, den jener in die Sprache gelegt, nach ſeinen Zwecken: er bil- dete die Allegorien des erſtern zu Weſen ſeiner Art um: er wurde ein Plato gegen einen Homer. An ſeiner Hand gieng der dritte Mann, der Kuͤnſtler, und erhob jene Bilderſprache der Dichter und Wei- ſen zum ſchoͤnſten Anſchauen. Die Goͤtter, die der Dichter dem Volke ſang, und der Weiſe er- klaͤrte, ſchuf der Kuͤnſtler ihm vor: die Jdeen, die es in alten geerbten und fruͤherlernten Geſaͤngen auf der Zunge, und aus dem Munde des Weiſen gleichſam im Ohre hatte, ſtanden ihm in den Werken des Kuͤnſtlers vor Augen — durch alles ward alſo ein poetiſches, ein allegoriſches Pu- blikum gebildet, das die Bilderſprache verſtand, fuͤhlte, beurtheilte, fortpflanzte. Die Allegorie hatte tiefe Wurzeln, in allem was National heißt, geſchlagen, in Sprachen, Gedichten, Philoſo- phien, Kunſtwerken: ſie gehoͤrte zur Cultur des Volks, ſie ward Denkart des Publikum. Unſer Publikum iſt aus dieſem Gleiſe der Cul- graphie
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0083" n="77"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Drittes Waͤldchen.</hi></fw><lb/> eine Bilderſprache ſo patronymiſch nicht. Dort<lb/> konnte alles auf einem Wege fortgehen: der<lb/><hi rendition="#fr">Dichter</hi> hatte durch ſeine poetiſche Bilderſprache<lb/> das Volk gebildet: der Weiſe, der nach ihm<lb/> kam, trat, ſo viel er konnte, in ſeine Fußſtapfen:<lb/> er bediente ſich des Bilderſchatzes, den jener in<lb/> die Sprache gelegt, nach ſeinen Zwecken: er bil-<lb/> dete die Allegorien des erſtern zu Weſen ſeiner Art<lb/> um: er wurde ein Plato gegen einen Homer. An<lb/> ſeiner Hand gieng der dritte Mann, der <hi rendition="#fr">Kuͤnſtler,</hi><lb/> und erhob jene Bilderſprache der Dichter und Wei-<lb/> ſen zum ſchoͤnſten Anſchauen. Die Goͤtter, die<lb/> der <hi rendition="#fr">Dichter</hi> dem Volke ſang, und der <hi rendition="#fr">Weiſe</hi> er-<lb/> klaͤrte, ſchuf der Kuͤnſtler ihm vor: die Jdeen,<lb/> die es in alten geerbten und fruͤherlernten Geſaͤngen<lb/> auf der Zunge, und aus dem Munde des Weiſen<lb/> gleichſam im Ohre hatte, ſtanden ihm in den<lb/> Werken des Kuͤnſtlers vor Augen — durch alles<lb/> ward alſo <hi rendition="#fr">ein poetiſches, ein allegoriſches Pu-<lb/> blikum gebildet,</hi> das die Bilderſprache verſtand,<lb/> fuͤhlte, beurtheilte, fortpflanzte. Die Allegorie<lb/> hatte tiefe Wurzeln, in allem was National heißt,<lb/> geſchlagen, in Sprachen, Gedichten, Philoſo-<lb/> phien, Kunſtwerken: ſie gehoͤrte zur Cultur des<lb/> Volks, ſie ward Denkart des Publikum.</p><lb/> <p>Unſer Publikum iſt aus dieſem Gleiſe der Cul-<lb/> tur, aus dieſem Vehikulum der Denkart hinaus.<lb/> Wenige Bilder ausgenommen, und die Jkono-<lb/> <fw place="bottom" type="catch">graphie</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [77/0083]
Drittes Waͤldchen.
eine Bilderſprache ſo patronymiſch nicht. Dort
konnte alles auf einem Wege fortgehen: der
Dichter hatte durch ſeine poetiſche Bilderſprache
das Volk gebildet: der Weiſe, der nach ihm
kam, trat, ſo viel er konnte, in ſeine Fußſtapfen:
er bediente ſich des Bilderſchatzes, den jener in
die Sprache gelegt, nach ſeinen Zwecken: er bil-
dete die Allegorien des erſtern zu Weſen ſeiner Art
um: er wurde ein Plato gegen einen Homer. An
ſeiner Hand gieng der dritte Mann, der Kuͤnſtler,
und erhob jene Bilderſprache der Dichter und Wei-
ſen zum ſchoͤnſten Anſchauen. Die Goͤtter, die
der Dichter dem Volke ſang, und der Weiſe er-
klaͤrte, ſchuf der Kuͤnſtler ihm vor: die Jdeen,
die es in alten geerbten und fruͤherlernten Geſaͤngen
auf der Zunge, und aus dem Munde des Weiſen
gleichſam im Ohre hatte, ſtanden ihm in den
Werken des Kuͤnſtlers vor Augen — durch alles
ward alſo ein poetiſches, ein allegoriſches Pu-
blikum gebildet, das die Bilderſprache verſtand,
fuͤhlte, beurtheilte, fortpflanzte. Die Allegorie
hatte tiefe Wurzeln, in allem was National heißt,
geſchlagen, in Sprachen, Gedichten, Philoſo-
phien, Kunſtwerken: ſie gehoͤrte zur Cultur des
Volks, ſie ward Denkart des Publikum.
Unſer Publikum iſt aus dieſem Gleiſe der Cul-
tur, aus dieſem Vehikulum der Denkart hinaus.
Wenige Bilder ausgenommen, und die Jkono-
graphie
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |