und Zubehörs; noch zum Schluß eine allgemeine Anmerkung, die Anfang hätte seyn sollen.
6. Die Alten hatten überhaupt mehr Bilderspra- che, mehr allegorische Dichtung, als wir. Von Dich- tern war ihre Sprache gebildet, und da bei den Griechen insonderheit die ältesten Dichter Liebhaber von Bildern, Metaphern, und Allegorien waren, welch ein Schatz lag gleichsam schon in der Sprache theils im Geschlechte, theils in Form, theils in Bedeutung der Worte! Jhre dichterische Sprache war allegorischen Aufschriften gleichsam in die Hand gebildet! Allegorien wurden aus der Sprache geschöpft, und mit der Sprache, aus der sie geschöpft waren, begleitet -- welche gute Lage!
Zudem: Die erste Schrift und die erste Sprache ist eine Malerei von Begriffen: mit der Zeit kommen in beide künstliche Abkürzungen der Bil- der: mit der Zeit verlieren sich gar viele Bilder selbst, und es bleiben allgemeine Begriffe. Wo sind wir nun in der Reihe der Völker und Zeiten? ohne Zweifel diesem Ende näher, als jenem. Die meisten Allegorien allgemeiner Begriffe nach Grie- chen, Römern, zumal Aegyptern, sind uns schon fremde: die meisten, die z. E. auch Winkelmann aus den Alten anführt, erkennen wir kaum mehr unter solcher Gestalt: sie sind nach unsrer Hori-
zonthöhe
Drittes Waͤldchen.
und Zubehoͤrs; noch zum Schluß eine allgemeine Anmerkung, die Anfang haͤtte ſeyn ſollen.
6. Die Alten hatten uͤberhaupt mehr Bilderſpra- che, mehr allegoriſche Dichtung, als wir. Von Dich- tern war ihre Sprache gebildet, und da bei den Griechen inſonderheit die aͤlteſten Dichter Liebhaber von Bildern, Metaphern, und Allegorien waren, welch ein Schatz lag gleichſam ſchon in der Sprache theils im Geſchlechte, theils in Form, theils in Bedeutung der Worte! Jhre dichteriſche Sprache war allegoriſchen Aufſchriften gleichſam in die Hand gebildet! Allegorien wurden aus der Sprache geſchoͤpft, und mit der Sprache, aus der ſie geſchoͤpft waren, begleitet — welche gute Lage!
Zudem: Die erſte Schrift und die erſte Sprache iſt eine Malerei von Begriffen: mit der Zeit kommen in beide kuͤnſtliche Abkuͤrzungen der Bil- der: mit der Zeit verlieren ſich gar viele Bilder ſelbſt, und es bleiben allgemeine Begriffe. Wo ſind wir nun in der Reihe der Voͤlker und Zeiten? ohne Zweifel dieſem Ende naͤher, als jenem. Die meiſten Allegorien allgemeiner Begriffe nach Grie- chen, Roͤmern, zumal Aegyptern, ſind uns ſchon fremde: die meiſten, die z. E. auch Winkelmann aus den Alten anfuͤhrt, erkennen wir kaum mehr unter ſolcher Geſtalt: ſie ſind nach unſrer Hori-
zonthoͤhe
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Drittes Waͤldchen.
und Zubehoͤrs; noch zum Schluß eine allgemeine
Anmerkung, die Anfang haͤtte ſeyn ſollen.
6. Die Alten hatten uͤberhaupt mehr Bilderſpra-
che, mehr allegoriſche Dichtung, als wir. Von Dich-
tern war ihre Sprache gebildet, und da bei den
Griechen inſonderheit die aͤlteſten Dichter Liebhaber
von Bildern, Metaphern, und Allegorien waren,
welch ein Schatz lag gleichſam ſchon in der Sprache
theils im Geſchlechte, theils in Form, theils in
Bedeutung der Worte! Jhre dichteriſche Sprache
war allegoriſchen Aufſchriften gleichſam in die Hand
gebildet! Allegorien wurden aus der Sprache
geſchoͤpft, und mit der Sprache, aus der ſie geſchoͤpft
waren, begleitet — welche gute Lage!
Zudem: Die erſte Schrift und die erſte Sprache
iſt eine Malerei von Begriffen: mit der Zeit
kommen in beide kuͤnſtliche Abkuͤrzungen der Bil-
der: mit der Zeit verlieren ſich gar viele Bilder
ſelbſt, und es bleiben allgemeine Begriffe. Wo
ſind wir nun in der Reihe der Voͤlker und Zeiten?
ohne Zweifel dieſem Ende naͤher, als jenem. Die
meiſten Allegorien allgemeiner Begriffe nach Grie-
chen, Roͤmern, zumal Aegyptern, ſind uns ſchon
fremde: die meiſten, die z. E. auch Winkelmann
aus den Alten anfuͤhrt, erkennen wir kaum mehr
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Herder, Johann Gottfried von: Kritische Wälder. Bd. 3. Riga, 1769, S. 75. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_kritische03_1769/81>, abgerufen am 16.02.2025.
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