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Herder, Johann Gottfried von: Kritische Wälder. Bd. 3. Riga, 1769.

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Kritische Wälder.
von Menschenblut vergossen, deren keine also, wo
es die Ehre und das Erbrecht des Münzherrn
erfordert, ausgelassen werden darf, an deren Einer
in künftigen Zeiten vielleicht ein ganzes Land gele-
gen seyn kann. Nun ists leicht, in solchem Fall
über die mit Bildern beladnen Münzen der Neuern
Geschmackvoll zu spotten a): aber wie zu ändern?
Der Rechtsgelehrte, der Staatskundige, der
Heraldikus künftiger Zeiten wird, da die Sache
einmal so ist, uns für die Geschmacklose Ueberla-
dung der Münzfiguren vielleicht so danken, als
ein Grieche vergangener Zeiten sie wegwerfen würde.
Wie also, da es höherer Ursachen wegen nicht
anders seyn kann?

Die Wappen, wie bekannt, sind eine Erfin-
dung und Anordnung der mittlern Gothisch - bar-
barischen Turnierzeiten; ihre Schilde und Creuze,
und Sparren und Bandstreifen, und Thierfiguren
und Fahnen haben ihren Ursprung dem Zeitge-
schmacke zu danken, der sich, als eine Vermischung
des Nordischgothischen, des Spanisch - Arabisch
Ritterlichen, des Barbarisch - Christlichen Mönchs-
geschmacks über Europa daherzog, Ritter - und
Riesenkämpfe, Turnier - und Kreuzzüge gebar,
und er wäre, was er wolle, nur wenig Jdeen
von der Tapferkeit eines griechischen oder römischen
Helden in sich hält -- welcher Thor wird also

diese
a) S. 33. u. f.

Kritiſche Waͤlder.
von Menſchenblut vergoſſen, deren keine alſo, wo
es die Ehre und das Erbrecht des Muͤnzherrn
erfordert, ausgelaſſen werden darf, an deren Einer
in kuͤnftigen Zeiten vielleicht ein ganzes Land gele-
gen ſeyn kann. Nun iſts leicht, in ſolchem Fall
uͤber die mit Bildern beladnen Muͤnzen der Neuern
Geſchmackvoll zu ſpotten a): aber wie zu aͤndern?
Der Rechtsgelehrte, der Staatskundige, der
Heraldikus kuͤnftiger Zeiten wird, da die Sache
einmal ſo iſt, uns fuͤr die Geſchmackloſe Ueberla-
dung der Muͤnzfiguren vielleicht ſo danken, als
ein Grieche vergangener Zeiten ſie wegwerfen wuͤrde.
Wie alſo, da es hoͤherer Urſachen wegen nicht
anders ſeyn kann?

Die Wappen, wie bekannt, ſind eine Erfin-
dung und Anordnung der mittlern Gothiſch - bar-
bariſchen Turnierzeiten; ihre Schilde und Creuze,
und Sparren und Bandſtreifen, und Thierfiguren
und Fahnen haben ihren Urſprung dem Zeitge-
ſchmacke zu danken, der ſich, als eine Vermiſchung
des Nordiſchgothiſchen, des Spaniſch - Arabiſch
Ritterlichen, des Barbariſch - Chriſtlichen Moͤnchs-
geſchmacks uͤber Europa daherzog, Ritter - und
Rieſenkaͤmpfe, Turnier - und Kreuzzuͤge gebar,
und er waͤre, was er wolle, nur wenig Jdeen
von der Tapferkeit eines griechiſchen oder roͤmiſchen
Helden in ſich haͤlt — welcher Thor wird alſo

dieſe
a) S. 33. u. f.
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[58/0064] Kritiſche Waͤlder. von Menſchenblut vergoſſen, deren keine alſo, wo es die Ehre und das Erbrecht des Muͤnzherrn erfordert, ausgelaſſen werden darf, an deren Einer in kuͤnftigen Zeiten vielleicht ein ganzes Land gele- gen ſeyn kann. Nun iſts leicht, in ſolchem Fall uͤber die mit Bildern beladnen Muͤnzen der Neuern Geſchmackvoll zu ſpotten a): aber wie zu aͤndern? Der Rechtsgelehrte, der Staatskundige, der Heraldikus kuͤnftiger Zeiten wird, da die Sache einmal ſo iſt, uns fuͤr die Geſchmackloſe Ueberla- dung der Muͤnzfiguren vielleicht ſo danken, als ein Grieche vergangener Zeiten ſie wegwerfen wuͤrde. Wie alſo, da es hoͤherer Urſachen wegen nicht anders ſeyn kann? Die Wappen, wie bekannt, ſind eine Erfin- dung und Anordnung der mittlern Gothiſch - bar- bariſchen Turnierzeiten; ihre Schilde und Creuze, und Sparren und Bandſtreifen, und Thierfiguren und Fahnen haben ihren Urſprung dem Zeitge- ſchmacke zu danken, der ſich, als eine Vermiſchung des Nordiſchgothiſchen, des Spaniſch - Arabiſch Ritterlichen, des Barbariſch - Chriſtlichen Moͤnchs- geſchmacks uͤber Europa daherzog, Ritter - und Rieſenkaͤmpfe, Turnier - und Kreuzzuͤge gebar, und er waͤre, was er wolle, nur wenig Jdeen von der Tapferkeit eines griechiſchen oder roͤmiſchen Helden in ſich haͤlt — welcher Thor wird alſo dieſe a) S. 33. u. f.

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Kritische Wälder. Bd. 3. Riga, 1769, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_kritische03_1769/64>, abgerufen am 27.11.2024.