Herder, Johann Gottfried von: Kritische Wälder. Bd. 3. Riga, 1769.Kritische Wälder. ein Kennzeichen des Werths für ihre Hand war,ohne Werth für Aug' und Seele lassen? sie eine Gold - oder Silberfläche, die der Nachkommen- schaft bestimmt war, leer in die Hände derselben senden? sie Tafeln, die täglich ihren Blick auf sich zogen, ohne Augenweide bei sich vorbeystrei- chen lassen? Das griechische Auge suchte Schön- heit; eine griechische Seele Weisheit in Schön- heit, und so ward auch ihre Münze der Schönheit, und der schönen Weisheit, der Allegorie, gewidmet. Gewiß! so natürlich, daß, wenn in dem Cirkel- laufe der Weltveränderungen ein nordisches Volk auf den Platz des Commerzes und der Cultur ge- troffen wäre, auf dem jetzt die Griechen stehen, so gewiß ihre Münzen mit nordischer Wissenschaft, mit Buchstaben und Amuleten und Fratzengestal- ten überhäuft wären, so natürlich, daß der Grie- che seine Münze der Schönheit und offnen Alle- gorie weihete -- -- Der Charakter der griechischen Nation, der Die
Kritiſche Waͤlder. ein Kennzeichen des Werths fuͤr ihre Hand war,ohne Werth fuͤr Aug’ und Seele laſſen? ſie eine Gold - oder Silberflaͤche, die der Nachkommen- ſchaft beſtimmt war, leer in die Haͤnde derſelben ſenden? ſie Tafeln, die taͤglich ihren Blick auf ſich zogen, ohne Augenweide bei ſich vorbeyſtrei- chen laſſen? Das griechiſche Auge ſuchte Schoͤn- heit; eine griechiſche Seele Weisheit in Schoͤn- heit, und ſo ward auch ihre Muͤnze der Schoͤnheit, und der ſchoͤnen Weisheit, der Allegorie, gewidmet. Gewiß! ſo natuͤrlich, daß, wenn in dem Cirkel- laufe der Weltveraͤnderungen ein nordiſches Volk auf den Platz des Commerzes und der Cultur ge- troffen waͤre, auf dem jetzt die Griechen ſtehen, ſo gewiß ihre Muͤnzen mit nordiſcher Wiſſenſchaft, mit Buchſtaben und Amuleten und Fratzengeſtal- ten uͤberhaͤuft waͤren, ſo natuͤrlich, daß der Grie- che ſeine Muͤnze der Schoͤnheit und offnen Alle- gorie weihete — — Der Charakter der griechiſchen Nation, der Die
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Kritiſche Waͤlder.
ein Kennzeichen des Werths fuͤr ihre Hand war,
ohne Werth fuͤr Aug’ und Seele laſſen? ſie eine
Gold - oder Silberflaͤche, die der Nachkommen-
ſchaft beſtimmt war, leer in die Haͤnde derſelben
ſenden? ſie Tafeln, die taͤglich ihren Blick auf
ſich zogen, ohne Augenweide bei ſich vorbeyſtrei-
chen laſſen? Das griechiſche Auge ſuchte Schoͤn-
heit; eine griechiſche Seele Weisheit in Schoͤn-
heit, und ſo ward auch ihre Muͤnze der Schoͤnheit,
und der ſchoͤnen Weisheit, der Allegorie, gewidmet.
Gewiß! ſo natuͤrlich, daß, wenn in dem Cirkel-
laufe der Weltveraͤnderungen ein nordiſches Volk
auf den Platz des Commerzes und der Cultur ge-
troffen waͤre, auf dem jetzt die Griechen ſtehen,
ſo gewiß ihre Muͤnzen mit nordiſcher Wiſſenſchaft,
mit Buchſtaben und Amuleten und Fratzengeſtal-
ten uͤberhaͤuft waͤren, ſo natuͤrlich, daß der Grie-
che ſeine Muͤnze der Schoͤnheit und offnen Alle-
gorie weihete — —
Der Charakter der griechiſchen Nation, der
ſich in allen ihren Nationalproduktionen, (ich will
es Hr. Klotzen uͤberlaſſen, ſie herzurechnen,) zeigte,
der muß ſich, die Numiſmatik ſei auch eine kleine,
eine unbetraͤchtliche Nationalproduktion, nach
Maaß auch in ihr zeigen, und welche Triebfedern
lagen alſo fuͤr dieſe, wie fuͤr alle Kuͤnſte des Schoͤ-
nen, in der Nation!
Die
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