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Herder, Johann Gottfried von: Kritische Wälder. Bd. 3. Riga, 1769.

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Drittes Wäldchen.
Schönen vorgehalten, wenn auch nicht jede Seite
herab Geschmack geprediget wird -- denn über-
haupt läßt dieser sich wohl wenig predigen.

Von jeher sind darüber Beeinträchtigungen
gnug entstanden, daß Ein Gelehrter, oder über-
haupt Ein Werkmeister die Arbeit einer andern
Gattung über die Achseln angesehen: und es wäre
Zeit, solche Blicke wenigstens öfsentlich einzuhalten.
Der Münzenschmecker, der auf das Schöne aus-
geht, wirst dem Münzenkenner, der auf das Selt-
ne, auf das Gelehrte, auf das Erläuternde sieht,
vor, er habe nicht seine Augen. Habe er doch
nicht! Hast du denn die seinigen? Wollte jeder nur
das Schöne auf Münzen erjagen, wer würde sich
um die Zeitpunkte bemühen, da es nichts Schönes
auf Münzen gibt? Wer das Rechtsmäßige, das
Urkundliche, das Zeitberechnende, das blos Selt-
ne, auf ihnen bemerken? Und ob dies etwa nicht
auch nöthig oder nützlich. Freilich sagt Heusinger
zu viel, daß sich über die Münzen des mitlern Zeit-
punktes ein so schönes Buch, als Spanheim, schrei-
ben ließe; nicht aber ein so nützliches Buch? Der
Rechtsgelehrte, der Diplomatikus, der Geschicht-
schreiber, der Alterthumskenner Deutschlands und
so viele fleißige Beispiele reden. Sollen wir nun
einen Joachim mit Mitleiden ansehen, weil er kein
Klotz ist, und die Verdienste eines Gatterers
übersehen, weil er auf keine Jkonologie des Schö-

nen
C

Drittes Waͤldchen.
Schoͤnen vorgehalten, wenn auch nicht jede Seite
herab Geſchmack geprediget wird — denn uͤber-
haupt laͤßt dieſer ſich wohl wenig predigen.

Von jeher ſind daruͤber Beeintraͤchtigungen
gnug entſtanden, daß Ein Gelehrter, oder uͤber-
haupt Ein Werkmeiſter die Arbeit einer andern
Gattung uͤber die Achſeln angeſehen: und es waͤre
Zeit, ſolche Blicke wenigſtens oͤfſentlich einzuhalten.
Der Muͤnzenſchmecker, der auf das Schoͤne aus-
geht, wirſt dem Muͤnzenkenner, der auf das Selt-
ne, auf das Gelehrte, auf das Erlaͤuternde ſieht,
vor, er habe nicht ſeine Augen. Habe er doch
nicht! Haſt du denn die ſeinigen? Wollte jeder nur
das Schoͤne auf Muͤnzen erjagen, wer wuͤrde ſich
um die Zeitpunkte bemuͤhen, da es nichts Schoͤnes
auf Muͤnzen gibt? Wer das Rechtsmaͤßige, das
Urkundliche, das Zeitberechnende, das blos Selt-
ne, auf ihnen bemerken? Und ob dies etwa nicht
auch noͤthig oder nuͤtzlich. Freilich ſagt Heuſinger
zu viel, daß ſich uͤber die Muͤnzen des mitlern Zeit-
punktes ein ſo ſchoͤnes Buch, als Spanheim, ſchrei-
ben ließe; nicht aber ein ſo nuͤtzliches Buch? Der
Rechtsgelehrte, der Diplomatikus, der Geſchicht-
ſchreiber, der Alterthumskenner Deutſchlands und
ſo viele fleißige Beiſpiele reden. Sollen wir nun
einen Joachim mit Mitleiden anſehen, weil er kein
Klotz iſt, und die Verdienſte eines Gatterers
uͤberſehen, weil er auf keine Jkonologie des Schoͤ-

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[33/0039] Drittes Waͤldchen. Schoͤnen vorgehalten, wenn auch nicht jede Seite herab Geſchmack geprediget wird — denn uͤber- haupt laͤßt dieſer ſich wohl wenig predigen. Von jeher ſind daruͤber Beeintraͤchtigungen gnug entſtanden, daß Ein Gelehrter, oder uͤber- haupt Ein Werkmeiſter die Arbeit einer andern Gattung uͤber die Achſeln angeſehen: und es waͤre Zeit, ſolche Blicke wenigſtens oͤfſentlich einzuhalten. Der Muͤnzenſchmecker, der auf das Schoͤne aus- geht, wirſt dem Muͤnzenkenner, der auf das Selt- ne, auf das Gelehrte, auf das Erlaͤuternde ſieht, vor, er habe nicht ſeine Augen. Habe er doch nicht! Haſt du denn die ſeinigen? Wollte jeder nur das Schoͤne auf Muͤnzen erjagen, wer wuͤrde ſich um die Zeitpunkte bemuͤhen, da es nichts Schoͤnes auf Muͤnzen gibt? Wer das Rechtsmaͤßige, das Urkundliche, das Zeitberechnende, das blos Selt- ne, auf ihnen bemerken? Und ob dies etwa nicht auch noͤthig oder nuͤtzlich. Freilich ſagt Heuſinger zu viel, daß ſich uͤber die Muͤnzen des mitlern Zeit- punktes ein ſo ſchoͤnes Buch, als Spanheim, ſchrei- ben ließe; nicht aber ein ſo nuͤtzliches Buch? Der Rechtsgelehrte, der Diplomatikus, der Geſchicht- ſchreiber, der Alterthumskenner Deutſchlands und ſo viele fleißige Beiſpiele reden. Sollen wir nun einen Joachim mit Mitleiden anſehen, weil er kein Klotz iſt, und die Verdienſte eines Gatterers uͤberſehen, weil er auf keine Jkonologie des Schoͤ- nen C

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Kritische Wälder. Bd. 3. Riga, 1769, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_kritische03_1769/39>, abgerufen am 24.11.2024.