Der Pöbel der Münzverständigen freilich -- aber wer wollte sich (es sei nun zu eignem Lobe, oder zum Tadel anderer,) unter den Pöbel mi- schen? Die Nutzbaren, die Würdigen Münzge- lehrten gerechnet; und bei denen sollte ihre Gelehr- samkeit dem Geschmacke widersprechen müssen? dieser von jener nicht oft eine Gesellinn, oft gar eine verdeckte Minerva haben seyn dörfen, selbst wenn es auf wissenschaftliche Untersuchungen ausging? -- Nicht zweifeln soll einmal diese Frage; sie soll blos die Erinnerung wecken! Wie? alle die gros- sen Bearbeitungen in den Feldern der Numisma- tik, ohne Geschmack der Münzen bewerkstelligt? unter allen um diese Wissenschaft so verdienten Na- men, wäre ein Addison, und Klotz das einige Duum- virat des Geschmacks? Jene Münzensammler und Münzenerklärer, weil sie nicht offenbar und allein vom Geschmacke schrieben; weil jener einen Theil der Geschichte, dieser einen Theil der Alterthümer, ein andrer einzelne Stellen der Alten und ein vierter die Chronologie aus Münzen aufgekläret; darum sollten sie vom Geschmacke nichts gewußt? nicht die Schönheit der Bilder, und das Bedeutende der Allegorien, und die Weisheit der Jnschriften ge- fühlt haben, an denen sie eine so unersättliche Au- genweide fanden? Nicht im Mechanischen der Münzen Geschmack besessen, dafür sie eben auch in der Abbildung sorgten, und das mit Entzücken
prie-
Kritiſche Waͤlder.
Der Poͤbel der Muͤnzverſtaͤndigen freilich — aber wer wollte ſich (es ſei nun zu eignem Lobe, oder zum Tadel anderer,) unter den Poͤbel mi- ſchen? Die Nutzbaren, die Wuͤrdigen Muͤnzge- lehrten gerechnet; und bei denen ſollte ihre Gelehr- ſamkeit dem Geſchmacke widerſprechen muͤſſen? dieſer von jener nicht oft eine Geſellinn, oft gar eine verdeckte Minerva haben ſeyn doͤrfen, ſelbſt wenn es auf wiſſenſchaftliche Unterſuchungen ausging? — Nicht zweifeln ſoll einmal dieſe Frage; ſie ſoll blos die Erinnerung wecken! Wie? alle die groſ- ſen Bearbeitungen in den Feldern der Numisma- tik, ohne Geſchmack der Muͤnzen bewerkſtelligt? unter allen um dieſe Wiſſenſchaft ſo verdienten Na- men, waͤre ein Addiſon, und Klotz das einige Duum- virat des Geſchmacks? Jene Muͤnzenſammler und Muͤnzenerklaͤrer, weil ſie nicht offenbar und allein vom Geſchmacke ſchrieben; weil jener einen Theil der Geſchichte, dieſer einen Theil der Alterthuͤmer, ein andrer einzelne Stellen der Alten und ein vierter die Chronologie aus Muͤnzen aufgeklaͤret; darum ſollten ſie vom Geſchmacke nichts gewußt? nicht die Schoͤnheit der Bilder, und das Bedeutende der Allegorien, und die Weisheit der Jnſchriften ge- fuͤhlt haben, an denen ſie eine ſo unerſaͤttliche Au- genweide fanden? Nicht im Mechaniſchen der Muͤnzen Geſchmack beſeſſen, dafuͤr ſie eben auch in der Abbildung ſorgten, und das mit Entzuͤcken
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Kritiſche Waͤlder.
Der Poͤbel der Muͤnzverſtaͤndigen freilich —
aber wer wollte ſich (es ſei nun zu eignem Lobe,
oder zum Tadel anderer,) unter den Poͤbel mi-
ſchen? Die Nutzbaren, die Wuͤrdigen Muͤnzge-
lehrten gerechnet; und bei denen ſollte ihre Gelehr-
ſamkeit dem Geſchmacke widerſprechen muͤſſen?
dieſer von jener nicht oft eine Geſellinn, oft gar eine
verdeckte Minerva haben ſeyn doͤrfen, ſelbſt wenn
es auf wiſſenſchaftliche Unterſuchungen ausging?
— Nicht zweifeln ſoll einmal dieſe Frage; ſie ſoll
blos die Erinnerung wecken! Wie? alle die groſ-
ſen Bearbeitungen in den Feldern der Numisma-
tik, ohne Geſchmack der Muͤnzen bewerkſtelligt?
unter allen um dieſe Wiſſenſchaft ſo verdienten Na-
men, waͤre ein Addiſon, und Klotz das einige Duum-
virat des Geſchmacks? Jene Muͤnzenſammler und
Muͤnzenerklaͤrer, weil ſie nicht offenbar und allein
vom Geſchmacke ſchrieben; weil jener einen Theil
der Geſchichte, dieſer einen Theil der Alterthuͤmer,
ein andrer einzelne Stellen der Alten und ein vierter
die Chronologie aus Muͤnzen aufgeklaͤret; darum
ſollten ſie vom Geſchmacke nichts gewußt? nicht die
Schoͤnheit der Bilder, und das Bedeutende der
Allegorien, und die Weisheit der Jnſchriften ge-
fuͤhlt haben, an denen ſie eine ſo unerſaͤttliche Au-
genweide fanden? Nicht im Mechaniſchen der
Muͤnzen Geſchmack beſeſſen, dafuͤr ſie eben auch in
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Herder, Johann Gottfried von: Kritische Wälder. Bd. 3. Riga, 1769, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_kritische03_1769/36>, abgerufen am 16.07.2024.
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