Herder, Johann Gottfried von: Kritische Wälder. Bd. 2. Riga, 1769.Kritische Wälder. gen: unschicklich, eitle Gelehrsamkeit, verdrüßli-ches, fremdes Geschwätz: oder ich sage: schöne poetische Phrases! Nun danke, mein lieber Leser! Als die schöne lateinische Poesie nach jener lan- wenn a) Epist. Hom. p. 82. 83.
Kritiſche Waͤlder. gen: unſchicklich, eitle Gelehrſamkeit, verdruͤßli-ches, fremdes Geſchwaͤtz: oder ich ſage: ſchoͤne poetiſche Phraſes! Nun danke, mein lieber Leſer! Als die ſchoͤne lateiniſche Poeſie nach jener lan- wenn a) Epiſt. Hom. p. 82. 83.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0064" n="58"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Kritiſche Waͤlder.</hi></fw><lb/> gen: unſchicklich, eitle Gelehrſamkeit, verdruͤßli-<lb/> ches, fremdes Geſchwaͤtz: oder ich ſage: ſchoͤne<lb/> poetiſche Phraſes! Nun danke, mein lieber Leſer!</p><lb/> <p>Als die ſchoͤne lateiniſche Poeſie nach jener lan-<lb/> gen Barbarei wieder erwachte: als die Sannazars<lb/> und Vida’s, und Bembo’s und Fracaſtor’s, geweckt<lb/> vom Geiſte der wieder aufgelebten Roͤmer, ſangen:<lb/> welcher Phoͤbus Apollo haͤtte ihnen damals das<lb/> Ohr zupfen koͤnnen? „Dieſer Ausdruck iſt zu my-<lb/> „thologiſch, dieſes roͤmiſche Bild hat noch nicht<lb/> „gnug durch den Gebrauch, und durch die Ge-<lb/> „wohnheit ſeine mythologiſche Natur abgelegt —<lb/> „weg damit! Aber hier mein lieber Vida! ſtehe<lb/> „<hi rendition="#aq">Ceres</hi> ſtatt <hi rendition="#aq">panis;</hi> dort <hi rendition="#aq">Muſa</hi> ſtatt <hi rendition="#aq">poetica facul-<lb/> „tas: Neptunus pro mari: Vulcanus pro igne:<lb/> „Lyaeus pro vino. In his licet originem ſuam ſu-<lb/> „perſtitioni debeant, tamen <hi rendition="#i">amiſſa fere eſt,</hi> ut ita<lb/> „dicam, <hi rendition="#i">prima vis & abolita</hi>: carmini vero La-<lb/> „tino non exiguam elegantiam eadem conci-<lb/> „liant</hi> <note place="foot" n="a)"><hi rendition="#aq">Epiſt. Hom. p. 82. 83.</hi></note>!„ Oder artige Phoͤbus Apollo! Wenn<lb/> dieſe aberglaͤubiſchen Woͤrter ihre erſte Kraft ver-<lb/> lohren haben, wenn ſie ihre Natur ausgezogen,<lb/> wenn ihr Gewicht weg iſt; ſo moͤgen alle ſol-<lb/> che <hi rendition="#aq">elegantiæ non exiguæ</hi> in den Orkus! Sie<lb/> ſind ein elender Flitterſtaat, eine poetiſche Sprache<lb/> ohne poetiſchen Sinn, ein Schulgeſchwaͤtz. Jſt<lb/> nur dann ein mythologiſcher Ausdruck brauchbar,<lb/> <fw place="bottom" type="catch">wenn</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [58/0064]
Kritiſche Waͤlder.
gen: unſchicklich, eitle Gelehrſamkeit, verdruͤßli-
ches, fremdes Geſchwaͤtz: oder ich ſage: ſchoͤne
poetiſche Phraſes! Nun danke, mein lieber Leſer!
Als die ſchoͤne lateiniſche Poeſie nach jener lan-
gen Barbarei wieder erwachte: als die Sannazars
und Vida’s, und Bembo’s und Fracaſtor’s, geweckt
vom Geiſte der wieder aufgelebten Roͤmer, ſangen:
welcher Phoͤbus Apollo haͤtte ihnen damals das
Ohr zupfen koͤnnen? „Dieſer Ausdruck iſt zu my-
„thologiſch, dieſes roͤmiſche Bild hat noch nicht
„gnug durch den Gebrauch, und durch die Ge-
„wohnheit ſeine mythologiſche Natur abgelegt —
„weg damit! Aber hier mein lieber Vida! ſtehe
„Ceres ſtatt panis; dort Muſa ſtatt poetica facul-
„tas: Neptunus pro mari: Vulcanus pro igne:
„Lyaeus pro vino. In his licet originem ſuam ſu-
„perſtitioni debeant, tamen amiſſa fere eſt, ut ita
„dicam, prima vis & abolita: carmini vero La-
„tino non exiguam elegantiam eadem conci-
„liant a)!„ Oder artige Phoͤbus Apollo! Wenn
dieſe aberglaͤubiſchen Woͤrter ihre erſte Kraft ver-
lohren haben, wenn ſie ihre Natur ausgezogen,
wenn ihr Gewicht weg iſt; ſo moͤgen alle ſol-
che elegantiæ non exiguæ in den Orkus! Sie
ſind ein elender Flitterſtaat, eine poetiſche Sprache
ohne poetiſchen Sinn, ein Schulgeſchwaͤtz. Jſt
nur dann ein mythologiſcher Ausdruck brauchbar,
wenn
a) Epiſt. Hom. p. 82. 83.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |