Herder, Johann Gottfried von: Kritische Wälder. Bd. 2. Riga, 1769.Kritische Wälder. "terbücher, und solche Tröster zu Hülfe, und wissen"es so weit zu bringen, daß man ihre Aufsätze für "große Schatzkammern ansehe. Mögen sie doch! "(Neque carbones esse dixerim equidem, sagt "Geßner: wer will, sage es nach) oft aber kann "man sich solchen Reichthum mit minderm Zeitver- "luste sammlen." Statt zu deuten, fahre ich in Geßner fort: er redet jetzt eigentlich vom Zerbrö- ckeln eines Autors in der Schule; allein der Scha- de ist überall derselbe. "Wir wollen uns also einmal die Fabel jenes "daß
Kritiſche Waͤlder. „terbuͤcher, und ſolche Troͤſter zu Huͤlfe, und wiſſen„es ſo weit zu bringen, daß man ihre Aufſaͤtze fuͤr „große Schatzkammern anſehe. Moͤgen ſie doch! „(Neque carbones eſſe dixerim equidem, ſagt „Geßner: wer will, ſage es nach) oft aber kann „man ſich ſolchen Reichthum mit minderm Zeitver- „luſte ſammlen.„ Statt zu deuten, fahre ich in Geßner fort: er redet jetzt eigentlich vom Zerbroͤ- ckeln eines Autors in der Schule; allein der Scha- de iſt uͤberall derſelbe. „Wir wollen uns alſo einmal die Fabel jenes „daß
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Kritiſche Waͤlder.
„terbuͤcher, und ſolche Troͤſter zu Huͤlfe, und wiſſen
„es ſo weit zu bringen, daß man ihre Aufſaͤtze fuͤr
„große Schatzkammern anſehe. Moͤgen ſie doch!
„(Neque carbones eſſe dixerim equidem, ſagt
„Geßner: wer will, ſage es nach) oft aber kann
„man ſich ſolchen Reichthum mit minderm Zeitver-
„luſte ſammlen.„ Statt zu deuten, fahre ich in
Geßner fort: er redet jetzt eigentlich vom Zerbroͤ-
ckeln eines Autors in der Schule; allein der Scha-
de iſt uͤberall derſelbe.
„Wir wollen uns alſo einmal die Fabel jenes
„von ſeiner Schweſter zerſtuͤckten Abſyrthus geden-
„ken, und ſie uns vorſtellen, daß ſie ihren Bruder
„nicht glieder-ſondern gelenkweiſe zerhacket, und
„hier ein halbes Auge (die andre Haͤlfte liegt weit
„ab!) dort die Haͤlfte vom rechten Ohre, hier den
„dritten Theil der Naſe, dort ein Stuͤck vom Au-
„genbraune u. ſ. w. hingeworfen, alles weit aus
„einander geworfen haͤtte: wie doch? haͤtte der
„Vater auch wohl argwoͤhnen koͤnnen: das ſey ſein
„Sohn? Eben ſo wenig, als ein der Optik Uner-
„fahrner eine Anamorphoſe ſich wird ſammlen, und
„recht vors Auge bringen koͤnnen. Jſts aber
„nicht eben ſo mit der heutigen Erlaͤuterungsme-
„thode der claſſiſchen Schriſtſteller? jedes einzelne
„Wort erklaͤrt, die Perioden aus einander gezogen,
„jeden vierten Tag, ein kleines Penſum auf die
„Art in kleine Brocken zerſtuͤckt. Jſts moͤglich,
„daß
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