Einen ewigen Anblick; welch ein Anblick aber, Gott vor meinen Augen verewigt zu sehen, als -- einen zornigen Fuhrmann!
Dazu muß Hr. Kl. aus Homer, Pindar und allen Griechen wissen, daß in denen Zeiten, da sich Mythologie erzeugte, und die Kunst galt, ein Pferd, wie noch bei den Arabern und Aegyptern, ein sehr würdiges Geschöpf, und Pferdeverrichtungen sehr edle Handthierungen waren -- bei uns nicht mehr. Was sagt mir also dies Bild Gottes? Nichts, oder etwas unwürdiges. -- Der Künstler brauche es also nicht, und lasse den Klotzischen Einfall immer lieber wieder verunglücken.
Ueberhaupt weiß ich noch keinen Durchweg, um zwischen den höchsten Foderungen der Religion und der Kunst mit einer Bildung Gottes, insonder- heit für sich selbst, mit Gnugthuung meiner selbst, durchzukommen. Die Religion zeigt mir den Voll- kommensten, den Allgnugsamen, den Geist: die Kunst bildet Körper, Geister geben keine Figur, das Vollkommenste hat kein Bild. Hr. Kl. wende nicht ein a): "Gott schreibe sich ja selbst Hände, "Hals, Füße, Nase zu." Bekannt! aber jedes von diesen theilweise, nichts mit dem andern zu- sammenhangend, daß es ein Ganzes bilden sollte,
jedes
a)p. 98. Ipse Deus sibi manus tribuit, dorsum, na- sum, pedes etc. ist der Grund nicht bündig?
Kritiſche Waͤlder.
Einen ewigen Anblick; welch ein Anblick aber, Gott vor meinen Augen verewigt zu ſehen, als — einen zornigen Fuhrmann!
Dazu muß Hr. Kl. aus Homer, Pindar und allen Griechen wiſſen, daß in denen Zeiten, da ſich Mythologie erzeugte, und die Kunſt galt, ein Pferd, wie noch bei den Arabern und Aegyptern, ein ſehr wuͤrdiges Geſchoͤpf, und Pferdeverrichtungen ſehr edle Handthierungen waren — bei uns nicht mehr. Was ſagt mir alſo dies Bild Gottes? Nichts, oder etwas unwuͤrdiges. — Der Kuͤnſtler brauche es alſo nicht, und laſſe den Klotziſchen Einfall immer lieber wieder verungluͤcken.
Ueberhaupt weiß ich noch keinen Durchweg, um zwiſchen den hoͤchſten Foderungen der Religion und der Kunſt mit einer Bildung Gottes, inſonder- heit fuͤr ſich ſelbſt, mit Gnugthuung meiner ſelbſt, durchzukommen. Die Religion zeigt mir den Voll- kommenſten, den Allgnugſamen, den Geiſt: die Kunſt bildet Koͤrper, Geiſter geben keine Figur, das Vollkommenſte hat kein Bild. Hr. Kl. wende nicht ein a): „Gott ſchreibe ſich ja ſelbſt Haͤnde, „Hals, Fuͤße, Naſe zu.„ Bekannt! aber jedes von dieſen theilweiſe, nichts mit dem andern zu- ſammenhangend, daß es ein Ganzes bilden ſollte,
jedes
a)p. 98. Ipſe Deus ſibi manus tribuit, dorſum, na- ſum, pedes etc. iſt der Grund nicht buͤndig?
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Kritiſche Waͤlder.
Einen ewigen Anblick; welch ein Anblick aber, Gott
vor meinen Augen verewigt zu ſehen, als — einen
zornigen Fuhrmann!
Dazu muß Hr. Kl. aus Homer, Pindar und
allen Griechen wiſſen, daß in denen Zeiten, da ſich
Mythologie erzeugte, und die Kunſt galt, ein Pferd,
wie noch bei den Arabern und Aegyptern, ein ſehr
wuͤrdiges Geſchoͤpf, und Pferdeverrichtungen ſehr
edle Handthierungen waren — bei uns nicht mehr.
Was ſagt mir alſo dies Bild Gottes? Nichts, oder
etwas unwuͤrdiges. — Der Kuͤnſtler brauche es
alſo nicht, und laſſe den Klotziſchen Einfall immer
lieber wieder verungluͤcken.
Ueberhaupt weiß ich noch keinen Durchweg,
um zwiſchen den hoͤchſten Foderungen der Religion
und der Kunſt mit einer Bildung Gottes, inſonder-
heit fuͤr ſich ſelbſt, mit Gnugthuung meiner ſelbſt,
durchzukommen. Die Religion zeigt mir den Voll-
kommenſten, den Allgnugſamen, den Geiſt: die
Kunſt bildet Koͤrper, Geiſter geben keine Figur,
das Vollkommenſte hat kein Bild. Hr. Kl. wende
nicht ein a): „Gott ſchreibe ſich ja ſelbſt Haͤnde,
„Hals, Fuͤße, Naſe zu.„ Bekannt! aber jedes
von dieſen theilweiſe, nichts mit dem andern zu-
ſammenhangend, daß es ein Ganzes bilden ſollte,
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a) p. 98. Ipſe Deus ſibi manus tribuit, dorſum, na-
ſum, pedes etc. iſt der Grund nicht buͤndig?
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Herder, Johann Gottfried von: Kritische Wälder. Bd. 2. Riga, 1769, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_kritische02_1769/102>, abgerufen am 17.07.2024.
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