[Herder, Johann Gottfried von]: Kritische Wälder. Bd. 1. [Riga], 1769.Kritische Wälder. ein knirschender Agamemon ist ein unwürdiger An-blick. Wenn Menfchen sein Kind ertödten: so ret- te ers: er winde Kalchas das Opfermesser aus der Hand, und mache sich nicht durch sein Geschrei, durch seinen vergeblichen Schmerz unnütz. Wollen aber Götter das Opfer, fodert es das Wohl der Griechen; ists einmal zugestanden; König, so wisse dich zu fassen: und wenn dein väterlich Herz bricht, so -- wende dein Auge weg; verhülle dein Antlitz: so erscheinst du würdig des Vaters, und des Köni- ges, und des empfindbaren Griechen und des pa- triotischen Helden. Auch würdig der Kunst des Malers? Mit dem manth a) Laok. p. 19. b) Z. E. Euripides in seiner Jphige-
nia u. s. w. Kritiſche Waͤlder. ein knirſchender Agamemon iſt ein unwuͤrdiger An-blick. Wenn Menfchen ſein Kind ertoͤdten: ſo ret- te ers: er winde Kalchas das Opfermeſſer aus der Hand, und mache ſich nicht durch ſein Geſchrei, durch ſeinen vergeblichen Schmerz unnuͤtz. Wollen aber Goͤtter das Opfer, fodert es das Wohl der Griechen; iſts einmal zugeſtanden; Koͤnig, ſo wiſſe dich zu faſſen: und wenn dein vaͤterlich Herz bricht, ſo — wende dein Auge weg; verhuͤlle dein Antlitz: ſo erſcheinſt du wuͤrdig des Vaters, und des Koͤni- ges, und des empfindbaren Griechen und des pa- triotiſchen Helden. Auch wuͤrdig der Kunſt des Malers? Mit dem manth a) Laok. p. 19. b) Z. E. Euripides in ſeiner Jphige-
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Kritiſche Waͤlder.
ein knirſchender Agamemon iſt ein unwuͤrdiger An-
blick. Wenn Menfchen ſein Kind ertoͤdten: ſo ret-
te ers: er winde Kalchas das Opfermeſſer aus
der Hand, und mache ſich nicht durch ſein Geſchrei,
durch ſeinen vergeblichen Schmerz unnuͤtz. Wollen
aber Goͤtter das Opfer, fodert es das Wohl der
Griechen; iſts einmal zugeſtanden; Koͤnig, ſo wiſſe
dich zu faſſen: und wenn dein vaͤterlich Herz bricht,
ſo — wende dein Auge weg; verhuͤlle dein Antlitz:
ſo erſcheinſt du wuͤrdig des Vaters, und des Koͤni-
ges, und des empfindbaren Griechen und des pa-
triotiſchen Helden.
Auch wuͤrdig der Kunſt des Malers? Mit dem
vorigen zuſammen; ob aber dieſer letzte Zweck der
Einige und Hauptzweck geweſen? ob die ſchoͤnen Rai-
ſonnemens eintreffen, die Hr. L. dem Timanthes
Schuld giebt a), „daß er die Grenzen ſeiner Kunſt
„gekannt, daß er das Haͤßliche, das Verzerrende
„im Geſicht Agamemnons gerne gelindert haͤtte;
„da es aber nicht angieng — ſo habe er ihn ver-
„huͤllet. Die Verhuͤllung ſey eben ein Opfer, das
„der Kuͤnſtler der Schoͤnheit gebracht habe;„
weiß ich nicht; wenigſtens konnte ihm das Opfer
nicht ſchwer werden, denn er brachte es aus fremden
Mitteln. Mehr als ein Dichter b) hatte ſchon im
Schauſpiele den Agamemnon verhuͤllet, und Ti-
manth
a) Laok. p. 19.
b) Z. E. Euripides in ſeiner Jphige-
nia u. ſ. w.
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