[Herder, Johann Gottfried von]: Kritische Wälder. Bd. 1. [Riga], 1769.Kritische Wälder. gehöret habe, als jetzt -- wie der Staat also nichtohne sie, als seine damaligen Triebfedern, und sie nicht ohne Staat haben seyn können -- wie also die Wirkung der Nation auf die Kunst, und der Kunst auf die Nation nicht blos physisch und psy- chologisch, sondern auch großen Theils politisch ge- wesen -- wie bei den Griechen also aus so man- chen Ursachen, und nicht blos ihres Nationalchara- kters, sondern auch ihrer Erziehung, Lebensart, des Grades ihrer Cultur, ihrer Religion und ihres Staats wegen, die Bildung der Schönheit mehr Eindrücke haben können, und mehr Eindrücke habe annehmen müssen. Ein wichtiges Problem a), zu dessen Auflösung mehr, als einige Känntniß der Griechen von der Oberfläche her gehöret. Un- sern gewöhnlichen Graeculis also, die jetzt nach dem Modegeschmacke von nichts so gern, als von Kunst, von Schönheit der Griechen sprechen, ist ein Gedan- ke hieran so wenig eingefallen, daß sie alles glauben erklärt zu haben, wenn sie von nichts, als einer ge- wissen feinen schönen Empfindung der Griechen für die Kunst, und für die Schönheit, schwatzen; von einer Empfindung, die sie gehabt, die Römer nicht a) Ein Programm des Hrn. Prof. Heine, de caussis fa-
bularum seu mythorum veterum physicis, hat mir mehr Gnüge gethan, als die ganze Philosophie des Ba- nier; wie überhaupt dieser würdige Kenner der Alten von seinen Griechen das Schwerste gelernt: stille Grös- se, ruhige Fülle, auch im Vortrage und Ausdrucke. Kritiſche Waͤlder. gehoͤret habe, als jetzt — wie der Staat alſo nichtohne ſie, als ſeine damaligen Triebfedern, und ſie nicht ohne Staat haben ſeyn koͤnnen — wie alſo die Wirkung der Nation auf die Kunſt, und der Kunſt auf die Nation nicht blos phyſiſch und pſy- chologiſch, ſondern auch großen Theils politiſch ge- weſen — wie bei den Griechen alſo aus ſo man- chen Urſachen, und nicht blos ihres Nationalchara- kters, ſondern auch ihrer Erziehung, Lebensart, des Grades ihrer Cultur, ihrer Religion und ihres Staats wegen, die Bildung der Schoͤnheit mehr Eindruͤcke haben koͤnnen, und mehr Eindruͤcke habe annehmen muͤſſen. Ein wichtiges Problem a), zu deſſen Aufloͤſung mehr, als einige Kaͤnntniß der Griechen von der Oberflaͤche her gehoͤret. Un- ſern gewoͤhnlichen Græculis alſo, die jetzt nach dem Modegeſchmacke von nichts ſo gern, als von Kunſt, von Schoͤnheit der Griechen ſprechen, iſt ein Gedan- ke hieran ſo wenig eingefallen, daß ſie alles glauben erklaͤrt zu haben, wenn ſie von nichts, als einer ge- wiſſen feinen ſchoͤnen Empfindung der Griechen fuͤr die Kunſt, und fuͤr die Schoͤnheit, ſchwatzen; von einer Empfindung, die ſie gehabt, die Roͤmer nicht a) Ein Programm des Hrn. Prof. Heine, de cauſſis fa-
bularum ſeu mythorum veterum phyſicis, hat mir mehr Gnuͤge gethan, als die ganze Philoſophie des Ba- nier; wie uͤberhaupt dieſer wuͤrdige Kenner der Alten von ſeinen Griechen das Schwerſte gelernt: ſtille Groͤſ- ſe, ruhige Fuͤlle, auch im Vortrage und Ausdrucke. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0084" n="78"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Kritiſche Waͤlder.</hi></fw><lb/> gehoͤret habe, als jetzt — wie der Staat alſo nicht<lb/> ohne ſie, als ſeine damaligen Triebfedern, und ſie<lb/> nicht ohne Staat haben ſeyn koͤnnen — wie alſo<lb/> die Wirkung der Nation auf die Kunſt, und der<lb/> Kunſt auf die Nation nicht blos phyſiſch und pſy-<lb/> chologiſch, ſondern auch großen Theils politiſch ge-<lb/> weſen — wie bei den Griechen alſo aus ſo man-<lb/> chen Urſachen, und nicht blos ihres Nationalchara-<lb/> kters, ſondern auch ihrer Erziehung, Lebensart, des<lb/> Grades ihrer Cultur, ihrer Religion und ihres<lb/> Staats wegen, die Bildung der Schoͤnheit mehr<lb/> Eindruͤcke haben koͤnnen, und mehr Eindruͤcke habe<lb/> annehmen muͤſſen. Ein wichtiges Problem <note place="foot" n="a)">Ein Programm des Hrn. Prof. Heine, <hi rendition="#aq">de cauſſis fa-<lb/> bularum ſeu mythorum veterum phyſicis,</hi> hat mir<lb/> mehr Gnuͤge gethan, als die ganze Philoſophie des Ba-<lb/> nier; wie uͤberhaupt dieſer wuͤrdige Kenner der Alten<lb/> von ſeinen Griechen das Schwerſte gelernt: ſtille Groͤſ-<lb/> ſe, ruhige Fuͤlle, auch im Vortrage und Ausdrucke.</note>,<lb/> zu deſſen Aufloͤſung mehr, als einige Kaͤnntniß der<lb/> Griechen von der Oberflaͤche her gehoͤret. Un-<lb/> ſern gewoͤhnlichen <hi rendition="#aq">Græculis</hi> alſo, die jetzt nach dem<lb/> Modegeſchmacke von nichts ſo gern, als von Kunſt,<lb/> von Schoͤnheit der Griechen ſprechen, iſt ein Gedan-<lb/> ke hieran ſo wenig eingefallen, daß ſie alles glauben<lb/> erklaͤrt zu haben, wenn ſie von nichts, als einer ge-<lb/> wiſſen feinen ſchoͤnen Empfindung der Griechen<lb/> fuͤr die Kunſt, und fuͤr die Schoͤnheit, ſchwatzen;<lb/> von einer Empfindung, die ſie gehabt, die Roͤmer<lb/> <fw place="bottom" type="catch">nicht</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [78/0084]
Kritiſche Waͤlder.
gehoͤret habe, als jetzt — wie der Staat alſo nicht
ohne ſie, als ſeine damaligen Triebfedern, und ſie
nicht ohne Staat haben ſeyn koͤnnen — wie alſo
die Wirkung der Nation auf die Kunſt, und der
Kunſt auf die Nation nicht blos phyſiſch und pſy-
chologiſch, ſondern auch großen Theils politiſch ge-
weſen — wie bei den Griechen alſo aus ſo man-
chen Urſachen, und nicht blos ihres Nationalchara-
kters, ſondern auch ihrer Erziehung, Lebensart, des
Grades ihrer Cultur, ihrer Religion und ihres
Staats wegen, die Bildung der Schoͤnheit mehr
Eindruͤcke haben koͤnnen, und mehr Eindruͤcke habe
annehmen muͤſſen. Ein wichtiges Problem a),
zu deſſen Aufloͤſung mehr, als einige Kaͤnntniß der
Griechen von der Oberflaͤche her gehoͤret. Un-
ſern gewoͤhnlichen Græculis alſo, die jetzt nach dem
Modegeſchmacke von nichts ſo gern, als von Kunſt,
von Schoͤnheit der Griechen ſprechen, iſt ein Gedan-
ke hieran ſo wenig eingefallen, daß ſie alles glauben
erklaͤrt zu haben, wenn ſie von nichts, als einer ge-
wiſſen feinen ſchoͤnen Empfindung der Griechen
fuͤr die Kunſt, und fuͤr die Schoͤnheit, ſchwatzen;
von einer Empfindung, die ſie gehabt, die Roͤmer
nicht
a) Ein Programm des Hrn. Prof. Heine, de cauſſis fa-
bularum ſeu mythorum veterum phyſicis, hat mir
mehr Gnuͤge gethan, als die ganze Philoſophie des Ba-
nier; wie uͤberhaupt dieſer wuͤrdige Kenner der Alten
von ſeinen Griechen das Schwerſte gelernt: ſtille Groͤſ-
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