[Herder, Johann Gottfried von]: Kritische Wälder. Bd. 1. [Riga], 1769.Erstes Wäldchen. Nun aber lasset uns den zweiten Fall setzen, daß Jch schlage die Litteraturbriefe c) auf, und fin- "ste a) p. 49. b) Sophokl. Philokt. Akt. 4. Scen. 1. c) Litt. Br. Th. 5. B. 82-84. E 2
Erſtes Waͤldchen. Nun aber laſſet uns den zweiten Fall ſetzen, daß Jch ſchlage die Litteraturbriefe c) auf, und fin- „ſte a) p. 49. b) Sophokl. Philokt. Akt. 4. Scen. 1. c) Litt. Br. Th. 5. B. 82-84. E 2
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Erſtes Waͤldchen.
Nun aber laſſet uns den zweiten Fall ſetzen, daß
der griechiſche Schauſpieler mit aller ſeiner Skaͤvo-
ponie und Deklamation das Geſchrei und die Ver-
zuckungen des Schmerzes nicht bis zur Jlluſion
bringen koͤnne (etwas, das Hr. Leſſing nicht zu be-
haupten getrauet a), geſetzt alſo, daß ich ein kalter
Zuſchauer bleibe: ſo kann ich mir ja keine widerli-
chere Pantomime gedenken, als nachgeaͤffte Zuckun-
gen, bruͤllendes Geſchrei, und wenn die Jlluſion voll-
kommen ſeyn ſoll, ein uͤbler Geruch der Wunde.
Kaum wuͤrde alſo alsdenn der theatraliſche Affe
Philoktets zum Zuſchauer ſagen koͤnnen, was der
wahre Philoktet zum Neoptolem: „ich weiß! du
„haſt es alles nichts geachtet; weder mein Geſchrei
„noch der uͤble Geruch wird dir Ekel erregt haben. b)„
Bei einer widerlichen, und zum Ungluͤcke nicht taͤu-
ſchenden Pantomime iſt dies unvermeidlich.
Jch ſchlage die Litteraturbriefe c) auf, und fin-
de den Erſten ihrer Verfaſſer an gruͤndlicher Philo-
ſophie in einem andern aͤhnlichen Falle meiner Mei-
nung. Er unterſucht, „warum die Nachahmung
„des Ekels uns nie gefallen koͤnnen, und giebt zu
„Urſachen an, weil dieſe widrige Empfindung nur
„unſre niedere Sinne trifft, Geſchmack, Geruch und
„Gefuͤhl: die dunkelſten Sinne, die nicht den ge-
„ringſten Antheil an den Werken der ſchoͤnen Kuͤn-
„ſte
a) p. 49.
b) Sophokl. Philokt. Akt. 4. Scen. 1.
c) Litt. Br. Th. 5. B. 82-84.
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