gen: und auch hier sei die Liebessprache des alten z. E. Schottischen Helden Beispiel. -- Sie handeln als Helden, und fühlen als Menschen.
Da aber freilich keine Empfindung so gern das Reich der Phantasie zu seinem Gebiet haben mag, als die Liebe: so kann auch keine so leicht von der Würde und Wahrheit ab, und in Phantasterei und Spielwerk hinein gerathen, als diese: und also, aus mancherlei Ursachen, zwischen der Heldenthräne der Liebe, und zwischen der Verachtung nur immer ein schmaler Rand. Unter allen menschlichen Schwach- heiten, deren sich ein Held nicht schämen dörfte, ist diese die delikateste; und daß sie es sey, kann ein gros- ser Trupp verliebter Roman- und Theaterhelden be- weisen. -- -- Hier indessen hatten die griechi- schen Dichter einen ziemlichen unerkannten Vortheil, nämlich den Zutritt zu einem ihnen nationellen Lie- besreiche voll sehr poetischer Phantasien, die sie aus mancher Verlegenheit reißen mußten. Die Liebes- begebenheiten, hier Götter und Göttinnen, das gan- ze Gefolge der Venus, der Gratien und Amors, hundert schöne und unterhaltende Anekdoten aus der Mythologie der Liebe, gaben ihrer Sprache der Liebe eine Süßigkeit, und eine Würde, die unsre Zeit nur zu oft nachahmet, um -- lächerlich zu werden. Wenn in unsern Elegien und Oden der Amor mit seinen Pfeilen umherflattert, wenn man den Grie- chen und Römern eine ganze Nomenklatur von Lie-
bes-
Kritiſche Waͤlder.
gen: und auch hier ſei die Liebesſprache des alten z. E. Schottiſchen Helden Beiſpiel. — Sie handeln als Helden, und fuͤhlen als Menſchen.
Da aber freilich keine Empfindung ſo gern das Reich der Phantaſie zu ſeinem Gebiet haben mag, als die Liebe: ſo kann auch keine ſo leicht von der Wuͤrde und Wahrheit ab, und in Phantaſterei und Spielwerk hinein gerathen, als dieſe: und alſo, aus mancherlei Urſachen, zwiſchen der Heldenthraͤne der Liebe, und zwiſchen der Verachtung nur immer ein ſchmaler Rand. Unter allen menſchlichen Schwach- heiten, deren ſich ein Held nicht ſchaͤmen doͤrfte, iſt dieſe die delikateſte; und daß ſie es ſey, kann ein groſ- ſer Trupp verliebter Roman- und Theaterhelden be- weiſen. — — Hier indeſſen hatten die griechi- ſchen Dichter einen ziemlichen unerkannten Vortheil, naͤmlich den Zutritt zu einem ihnen nationellen Lie- besreiche voll ſehr poetiſcher Phantaſien, die ſie aus mancher Verlegenheit reißen mußten. Die Liebes- begebenheiten, hier Goͤtter und Goͤttinnen, das gan- ze Gefolge der Venus, der Gratien und Amors, hundert ſchoͤne und unterhaltende Anekdoten aus der Mythologie der Liebe, gaben ihrer Sprache der Liebe eine Suͤßigkeit, und eine Wuͤrde, die unſre Zeit nur zu oft nachahmet, um — laͤcherlich zu werden. Wenn in unſern Elegien und Oden der Amor mit ſeinen Pfeilen umherflattert, wenn man den Grie- chen und Roͤmern eine ganze Nomenklatur von Lie-
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Kritiſche Waͤlder.
gen: und auch hier ſei die Liebesſprache des alten
z. E. Schottiſchen Helden Beiſpiel. — Sie handeln
als Helden, und fuͤhlen als Menſchen.
Da aber freilich keine Empfindung ſo gern das
Reich der Phantaſie zu ſeinem Gebiet haben mag,
als die Liebe: ſo kann auch keine ſo leicht von der
Wuͤrde und Wahrheit ab, und in Phantaſterei und
Spielwerk hinein gerathen, als dieſe: und alſo, aus
mancherlei Urſachen, zwiſchen der Heldenthraͤne der
Liebe, und zwiſchen der Verachtung nur immer ein
ſchmaler Rand. Unter allen menſchlichen Schwach-
heiten, deren ſich ein Held nicht ſchaͤmen doͤrfte, iſt
dieſe die delikateſte; und daß ſie es ſey, kann ein groſ-
ſer Trupp verliebter Roman- und Theaterhelden be-
weiſen. — — Hier indeſſen hatten die griechi-
ſchen Dichter einen ziemlichen unerkannten Vortheil,
naͤmlich den Zutritt zu einem ihnen nationellen Lie-
besreiche voll ſehr poetiſcher Phantaſien, die ſie aus
mancher Verlegenheit reißen mußten. Die Liebes-
begebenheiten, hier Goͤtter und Goͤttinnen, das gan-
ze Gefolge der Venus, der Gratien und Amors,
hundert ſchoͤne und unterhaltende Anekdoten aus der
Mythologie der Liebe, gaben ihrer Sprache der Liebe
eine Suͤßigkeit, und eine Wuͤrde, die unſre Zeit
nur zu oft nachahmet, um — laͤcherlich zu werden.
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[Herder, Johann Gottfried von]: Kritische Wälder. Bd. 1. [Riga], 1769, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_kritische01_1769/54>, abgerufen am 16.07.2024.
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