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[Herder, Johann Gottfried von]: Kritische Wälder. Bd. 1. [Riga], 1769.

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Erstes Wäldchen.

Unter den unschädlichen Kontrasten, die das
Lächerliche machen, giebts namentlich auch den Kon-
trast des häßlich Schönen; zum Lächerlichen also
kann Häßlichkeit wirklich ein wesentliches Jngrediens
seyn, um es hervorzubringen. Jn schrecklichen
Gegenständen gehört die Form der Häßlichkeit ei-
gentlich gar nicht mit zu der Jdee des Schädlichen,
des Furcht erregenden selbst; Schauder und Unwille
am Häßlichen sind zwo Empfindungen, die in ihrer
Natur verschieden sind: folglich kann zum Schreckli-
chen das Häßliche nie eigentlich als wesentliches Jn-
grediens wirken: nie es also hervorbringen. Jn
Parallelen läßt sich daher kaum ihr beiderseitiger
Gebrauch behandeln.

Wo das Häßliche zum Lächerlichen zutrifft: da
treffe es wesentlich zu: es gehöre mit zum Kontrast:
es kann nicht wegbleiben. Wo es wegbleiben kann,
ists auch ein Kennzeichen, daß es wegbleiben muß
-- So erklärt Hr. L. mit Recht es für eine alberne
Mönchsfratze, daß der weise und rechtschaffene Ae-
sop in der häßlichen Gestalt Thersites durch dieselbe
im Kontrast seiner schönen Seele lächerlich wer-
den solle.

Träfe aber das Häßliche zum Schrecklichen;
so könnte es blos als Nebenidee zutreffen; es gehör-
te nicht in die Empfindung des Schauders. Es
muß also nicht anders als wie ein Nebeningrediens

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R 3
Erſtes Waͤldchen.

Unter den unſchaͤdlichen Kontraſten, die das
Laͤcherliche machen, giebts namentlich auch den Kon-
traſt des haͤßlich Schoͤnen; zum Laͤcherlichen alſo
kann Haͤßlichkeit wirklich ein weſentliches Jngrediens
ſeyn, um es hervorzubringen. Jn ſchrecklichen
Gegenſtaͤnden gehoͤrt die Form der Haͤßlichkeit ei-
gentlich gar nicht mit zu der Jdee des Schaͤdlichen,
des Furcht erregenden ſelbſt; Schauder und Unwille
am Haͤßlichen ſind zwo Empfindungen, die in ihrer
Natur verſchieden ſind: folglich kann zum Schreckli-
chen das Haͤßliche nie eigentlich als weſentliches Jn-
grediens wirken: nie es alſo hervorbringen. Jn
Parallelen laͤßt ſich daher kaum ihr beiderſeitiger
Gebrauch behandeln.

Wo das Haͤßliche zum Laͤcherlichen zutrifft: da
treffe es weſentlich zu: es gehoͤre mit zum Kontraſt:
es kann nicht wegbleiben. Wo es wegbleiben kann,
iſts auch ein Kennzeichen, daß es wegbleiben muß
— So erklaͤrt Hr. L. mit Recht es fuͤr eine alberne
Moͤnchsfratze, daß der weiſe und rechtſchaffene Ae-
ſop in der haͤßlichen Geſtalt Therſites durch dieſelbe
im Kontraſt ſeiner ſchoͤnen Seele laͤcherlich wer-
den ſolle.

Traͤfe aber das Haͤßliche zum Schrecklichen;
ſo koͤnnte es blos als Nebenidee zutreffen; es gehoͤr-
te nicht in die Empfindung des Schauders. Es
muß alſo nicht anders als wie ein Nebeningrediens

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[261/0267] Erſtes Waͤldchen. Unter den unſchaͤdlichen Kontraſten, die das Laͤcherliche machen, giebts namentlich auch den Kon- traſt des haͤßlich Schoͤnen; zum Laͤcherlichen alſo kann Haͤßlichkeit wirklich ein weſentliches Jngrediens ſeyn, um es hervorzubringen. Jn ſchrecklichen Gegenſtaͤnden gehoͤrt die Form der Haͤßlichkeit ei- gentlich gar nicht mit zu der Jdee des Schaͤdlichen, des Furcht erregenden ſelbſt; Schauder und Unwille am Haͤßlichen ſind zwo Empfindungen, die in ihrer Natur verſchieden ſind: folglich kann zum Schreckli- chen das Haͤßliche nie eigentlich als weſentliches Jn- grediens wirken: nie es alſo hervorbringen. Jn Parallelen laͤßt ſich daher kaum ihr beiderſeitiger Gebrauch behandeln. Wo das Haͤßliche zum Laͤcherlichen zutrifft: da treffe es weſentlich zu: es gehoͤre mit zum Kontraſt: es kann nicht wegbleiben. Wo es wegbleiben kann, iſts auch ein Kennzeichen, daß es wegbleiben muß — So erklaͤrt Hr. L. mit Recht es fuͤr eine alberne Moͤnchsfratze, daß der weiſe und rechtſchaffene Ae- ſop in der haͤßlichen Geſtalt Therſites durch dieſelbe im Kontraſt ſeiner ſchoͤnen Seele laͤcherlich wer- den ſolle. Traͤfe aber das Haͤßliche zum Schrecklichen; ſo koͤnnte es blos als Nebenidee zutreffen; es gehoͤr- te nicht in die Empfindung des Schauders. Es muß alſo nicht anders als wie ein Nebeningrediens zuge- R 3

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Zitationshilfe: [Herder, Johann Gottfried von]: Kritische Wälder. Bd. 1. [Riga], 1769, S. 261. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_kritische01_1769/267>, abgerufen am 23.11.2024.