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[Herder, Johann Gottfried von]: Kritische Wälder. Bd. 1. [Riga], 1769.

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Erstes Wäldchen.

Der Künstler also wirkt durch Gestalten für
das Ganze Eines Anblicks, bis zur Täuschung des
Auges; der Dichter durch die geistige Kraft der
Worte während der Succession, bis zur vollkom-
mensten Täuschung auf die Seele. Wer also Farbe
und Wort, Zeitfolge und Augenblick, Gestalt und
Kraft mit einander vergleichen kann, vergleiche. --

Manches zu dieser Aufgabe hat ein scharfsinni-
ger Engländer a) vorgezeichnet, der im Geschmacke
des Shaftesburi ein Gespräch über die Kunst, und
ein andres über die Tonkunst, Malerei und Dicht-
kunst gegeben. -- Schade nur! daß er im letzten,
statt blos den Unterschied zwischen diesen dreien
Künsten zu entwickeln, auf die leere Grille geräth,
den Vorzug zu bestimmen, den eine vor der an-
dern habe. Zwischen völlig ungleichartigen Dingen
läuft eine bloße Rangordnung auf einen so schüler-
haften Wettstreit hinaus, als vor einigen Jahren die
Malerei, Musik, Poesie und Schauspielkunst, unter
der Aufsicht eines Magisters der Weltweisheit,
förmlich und feierlich haben eingehen müssen. b)

Lasset uns sehen, was Harris für Seiten des
Unterschiedes findet. Zuerst macht er die sehr deut-

liche
a) J. Harris Gespräche über die Kunst: über die Mu-
sik, Malerei und Poesie: über die Glückseligkeit.
b) Wettstreit der Malerei, Musik, Poesie und Schau-
spielkunst: Reden -- gehalten unter der Aufsicht
Wolfgang Ludwig Gräfenhahns, der Weltweisheit
Magisters. Baireuth 1746.
P 5
Erſtes Waͤldchen.

Der Kuͤnſtler alſo wirkt durch Geſtalten fuͤr
das Ganze Eines Anblicks, bis zur Taͤuſchung des
Auges; der Dichter durch die geiſtige Kraft der
Worte waͤhrend der Succeſſion, bis zur vollkom-
menſten Taͤuſchung auf die Seele. Wer alſo Farbe
und Wort, Zeitfolge und Augenblick, Geſtalt und
Kraft mit einander vergleichen kann, vergleiche. —

Manches zu dieſer Aufgabe hat ein ſcharfſinni-
ger Englaͤnder a) vorgezeichnet, der im Geſchmacke
des Shaftesburi ein Geſpraͤch uͤber die Kunſt, und
ein andres uͤber die Tonkunſt, Malerei und Dicht-
kunſt gegeben. — Schade nur! daß er im letzten,
ſtatt blos den Unterſchied zwiſchen dieſen dreien
Kuͤnſten zu entwickeln, auf die leere Grille geraͤth,
den Vorzug zu beſtimmen, den eine vor der an-
dern habe. Zwiſchen voͤllig ungleichartigen Dingen
laͤuft eine bloße Rangordnung auf einen ſo ſchuͤler-
haften Wettſtreit hinaus, als vor einigen Jahren die
Malerei, Muſik, Poeſie und Schauſpielkunſt, unter
der Aufſicht eines Magiſters der Weltweisheit,
foͤrmlich und feierlich haben eingehen muͤſſen. b)

Laſſet uns ſehen, was Harris fuͤr Seiten des
Unterſchiedes findet. Zuerſt macht er die ſehr deut-

liche
a) J. Harris Geſpraͤche uͤber die Kunſt: uͤber die Mu-
ſik, Malerei und Poeſie: uͤber die Gluͤckſeligkeit.
b) Wettſtreit der Malerei, Muſik, Poeſie und Schau-
ſpielkunſt: Reden — gehalten unter der Aufſicht
Wolfgang Ludwig Graͤfenhahns, der Weltweisheit
Magiſters. Baireuth 1746.
P 5
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[233/0239] Erſtes Waͤldchen. Der Kuͤnſtler alſo wirkt durch Geſtalten fuͤr das Ganze Eines Anblicks, bis zur Taͤuſchung des Auges; der Dichter durch die geiſtige Kraft der Worte waͤhrend der Succeſſion, bis zur vollkom- menſten Taͤuſchung auf die Seele. Wer alſo Farbe und Wort, Zeitfolge und Augenblick, Geſtalt und Kraft mit einander vergleichen kann, vergleiche. — Manches zu dieſer Aufgabe hat ein ſcharfſinni- ger Englaͤnder a) vorgezeichnet, der im Geſchmacke des Shaftesburi ein Geſpraͤch uͤber die Kunſt, und ein andres uͤber die Tonkunſt, Malerei und Dicht- kunſt gegeben. — Schade nur! daß er im letzten, ſtatt blos den Unterſchied zwiſchen dieſen dreien Kuͤnſten zu entwickeln, auf die leere Grille geraͤth, den Vorzug zu beſtimmen, den eine vor der an- dern habe. Zwiſchen voͤllig ungleichartigen Dingen laͤuft eine bloße Rangordnung auf einen ſo ſchuͤler- haften Wettſtreit hinaus, als vor einigen Jahren die Malerei, Muſik, Poeſie und Schauſpielkunſt, unter der Aufſicht eines Magiſters der Weltweisheit, foͤrmlich und feierlich haben eingehen muͤſſen. b) Laſſet uns ſehen, was Harris fuͤr Seiten des Unterſchiedes findet. Zuerſt macht er die ſehr deut- liche a) J. Harris Geſpraͤche uͤber die Kunſt: uͤber die Mu- ſik, Malerei und Poeſie: uͤber die Gluͤckſeligkeit. b) Wettſtreit der Malerei, Muſik, Poeſie und Schau- ſpielkunſt: Reden — gehalten unter der Aufſicht Wolfgang Ludwig Graͤfenhahns, der Weltweisheit Magiſters. Baireuth 1746. P 5

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Zitationshilfe: [Herder, Johann Gottfried von]: Kritische Wälder. Bd. 1. [Riga], 1769, S. 233. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_kritische01_1769/239>, abgerufen am 27.11.2024.