[Herder, Johann Gottfried von]: Kritische Wälder. Bd. 1. [Riga], 1769.Kritische Wälder dre, oder gar auf die ganze Dichtkunst Gesetzebringen. Wenn also "Homer nichts als fortschreitende Noch minder darf ich, wenn mich die Praxis schil- der a) Laok. p. 155. b) Alle Körper, die in Homers Ge-
dichte mitwirken sollen, werden mit so viel Zugen ge- Kritiſche Waͤlder dre, oder gar auf die ganze Dichtkunſt Geſetzebringen. Wenn alſo „Homer nichts als fortſchreitende Noch minder darf ich, wenn mich die Praxis ſchil- der a) Laok. p. 155. b) Alle Koͤrper, die in Homers Ge-
dichte mitwirken ſollen, werden mit ſo viel Zugen ge- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0232" n="226"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Kritiſche Waͤlder</hi></fw><lb/> dre, oder gar auf die ganze Dichtkunſt Geſetze<lb/> bringen.</p><lb/> <p>Wenn alſo „Homer nichts als fortſchreitende<lb/> „Handlungen malet, und fuͤr jeden Koͤrper, fuͤr je-<lb/> „des einzelnes Ding nur einen Zug haͤtte, ſo fern es<lb/> „an der Handlung Theil nimmt <note place="foot" n="a)">Laok. <hi rendition="#aq">p.</hi> 155.</note>:„ ſo mag da-<lb/> mit ſeinem epiſchen Jdeal eine Gnuͤge geſchehen.<lb/> Vielleicht aber, daß ein Oſſian, ein Milton, ein<lb/> Klopſtock ſchon ein anderes Jdeal haͤtten, wo ſie<lb/> nicht mit jedem Zuge fortſchreiten, wo ſich ihre Mu-<lb/> ſe einen andern Gang waͤhlte? Vielleicht alſo, daß<lb/> dies Fortſchreitende blos <hi rendition="#fr">Homers</hi> epiſche <hi rendition="#fr">Manier,</hi><lb/> nicht einmal die Manier <hi rendition="#fr">ſeiner Dichtart</hi> uͤber-<lb/> haupt ſey? — Der Kunſtrichter ſoll hier ein<lb/> furchtſames Vielleicht ſagen; das Genie entſcheidet<lb/> mit der ſtarken Stimme des Beiſpiels.</p><lb/> <p>Noch minder darf ich, wenn mich die Praxis<lb/> Homers auf die Bemerkung fuͤhret: „<hi rendition="#fr">Homer</hi> ſchil-<lb/> „dert nichts als fortſchreitende Handlungen,„ ſo-<lb/> gleich den Hauptſatz drauf ſchlagen: „<hi rendition="#fr">die Poe-<lb/> „ſie</hi> ſchildert nichts, als fortſchreitende Handlungen<lb/> „— folglich ſind Handlungen der eigentliche Ge-<lb/> „genſtand der Poeſie.„ Wenn ichs bei Homer<lb/> bemerke, daß „er alle einzelne Dinge nur durch ih-<lb/> „ren Antheil an dieſen Handlungen, gemeiniglich<lb/> „nur mit einem Zuge, male <note xml:id="f05" next="#f06" place="foot" n="b)">Alle Koͤrper, die in Homers Ge-<lb/> dichte mitwirken ſollen, werden mit <hi rendition="#fr">ſo viel</hi> Zugen ge-</note><fw place="bottom" type="catch">ſchil-</fw>„ ſo darf nicht gleich<lb/> <fw place="bottom" type="catch">der</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [226/0232]
Kritiſche Waͤlder
dre, oder gar auf die ganze Dichtkunſt Geſetze
bringen.
Wenn alſo „Homer nichts als fortſchreitende
„Handlungen malet, und fuͤr jeden Koͤrper, fuͤr je-
„des einzelnes Ding nur einen Zug haͤtte, ſo fern es
„an der Handlung Theil nimmt a):„ ſo mag da-
mit ſeinem epiſchen Jdeal eine Gnuͤge geſchehen.
Vielleicht aber, daß ein Oſſian, ein Milton, ein
Klopſtock ſchon ein anderes Jdeal haͤtten, wo ſie
nicht mit jedem Zuge fortſchreiten, wo ſich ihre Mu-
ſe einen andern Gang waͤhlte? Vielleicht alſo, daß
dies Fortſchreitende blos Homers epiſche Manier,
nicht einmal die Manier ſeiner Dichtart uͤber-
haupt ſey? — Der Kunſtrichter ſoll hier ein
furchtſames Vielleicht ſagen; das Genie entſcheidet
mit der ſtarken Stimme des Beiſpiels.
Noch minder darf ich, wenn mich die Praxis
Homers auf die Bemerkung fuͤhret: „Homer ſchil-
„dert nichts als fortſchreitende Handlungen,„ ſo-
gleich den Hauptſatz drauf ſchlagen: „die Poe-
„ſie ſchildert nichts, als fortſchreitende Handlungen
„— folglich ſind Handlungen der eigentliche Ge-
„genſtand der Poeſie.„ Wenn ichs bei Homer
bemerke, daß „er alle einzelne Dinge nur durch ih-
„ren Antheil an dieſen Handlungen, gemeiniglich
„nur mit einem Zuge, male b)
ſchil-„ ſo darf nicht gleich
der
a) Laok. p. 155.
b) Alle Koͤrper, die in Homers Ge-
dichte mitwirken ſollen, werden mit ſo viel Zugen ge-
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